Ringvorlesung Lateinamerika: Geschlechterverhältnisse und Identitäten. Strukturen sozialer Ungleichheiten in Lateinamerika
Allgemeines
Seit vielen Jahren veranstalten das Zentrum Lateinamerika (CLAC) und der Arbeitskreis Spanien-Portugal-Lateinamerika eine Ringvorlesung zu kultur-, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Themen mit Lateinamerikabezug. Die Vortragsreihe richtet sich an Studierende aller Fakultäten der Universität zu Köln, an GasthörerInnen, LehrerInnen und SchülerInnen sowie die interessierte Öffentlichkeit und umfasst Beiträge herausragender nationaler und internationaler ExpertInnen verschiedener Fachbereiche.
Geschlechterverhältnisse und Identitäten. Strukturen sozialer Ungleichheiten in Lateinamerika
Im Wintersemester 2013/14 widmet sich die Ringvorlesung dem breiten Feld der Geschlechterverhältnisse in Lateinamerika. Die Vorlesung soll Einblicke in Theorien und Debatten rund um die Konstruktion von Identitäten und Geschlecht geben und diese anhand ausgewählter Beispiele zu Lateinamerika kontrovers beleuchten.
In der Veranstaltung sollen soziale und politische Prozesse in Lateinamerika mittels einer Genderperspektive analysiert sowie vorherrschende Rollenbilder und Geschlechterverhältnisse kritisch diskutiert werden, um Geschlecht als Kategorie gesellschaftlicher Positionierung sichtbar zu machen.
Einführend werden feministische Bewegungen in Lateinamerika in historischer und aktueller Perspektive betrachtet sowie anhand ausgewählter Beispiele Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Geschichte, Literatur und Politik Lateinamerikas diskutiert. Vor dem Hintergrund der kritischen Männlichkeitsforschung werden vorherrschende Männlichkeitsideale in Lateinamerika kritisch betrachtet.
Aufbauend auf einer Einführung in die Queer Studies, welche das Konzept der Heteronormativität problematisieren und festgeschriebene Identitätskategorien infrage stellen, befasst sich der zweite Teil der Vorlesung mit der aktuellen Situation und den Kämpfen um Gleichberechtigung von LGBTI in lateinamerikanischen Staaten. Der letzte Teil der Vorlesung behandelt die Auseinandersetzung mit den Kategorien sex und gender und den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Positionen und widmet sich mit der Theorie der Intersektionalität einem weiteren grundlegenden Bereich der Geschlechterforschung.
Dabei soll die Verwobenheit verschiedener sozialer Kategorisierungen und ihre Wechselbeziehungen beleuchtet und unterschiedliche Dimensionen sozialer Ungleichheit in Lateinamerika thematisiert werden. Die damit verbundene spezifische Verwundbarkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen wird ebenso wie die zahlreichen Kämpfe dagegen diskutiert, z.B. demjenigen indigener feministischer Bewegungen.
Anmeldung
Die Ringvorlesung Lateinamerika ist Teil des Studium Integrale der Philosophischen Fakultät. B.A.-Studierende können für die regelmäßige Teilnahme und sowie das Verfassen eines Essays 3 CPs erhalten. Diplom- und Magisterstudierende melden sich, wenn sie eine Bescheinung über die Teilnahme benötigen, ebenfalls bei KLIPS an.
Für Studierende des Masterstudiengangs Regionalstudien Lateinamerika bildet die Ringvorlesung Teil des Ergänzungsmoduls 2. Auch diese müssen sich über KLIPS zur Veranstaltung anmelden.
Termine im Wintersemester 2013/14
Die Ringvorlesung Lateinamerika findet jeweils donnerstags von 17:45-19:15 in Raum S22 im Seminargebäude statt.
24.10.2013 | Vom "ersten" zum "zweiten" Feminismus in Lateinamerika | Barbara Potthast, Köln |
31.10.2013 | Männergeschichte? – Geschlechtergeschichte! Männer und Männlichkeiten in der historischen Geschlechterforschung | Olaf Stieglitz, Köln |
07.11.2013 | Der kreolische Stil und die „Hand Gottes“ – Fußball und Männlichkeit in Argentinien | Bernadette Goldberger, Wien |
14.11.2013 | Vom postkolonialem Machismo zur Metrosexualität, zur Drogenwelt und zur diversifizierten Homosexualität. Entwicklungen, Herausforderungen und Subversion in den neuen Männlichkeiten Lateinamerikas | Dieter Ingenschay, Berlin |
21.11.2013 | Geschlechterverhältnisse in Lateinamerika. Neue Entwicklungen und alte Konflikte | Anne Tittor, Bielefeld |
28.11.2013 | Frauen in Guerillas im Lateinamerika des 20. Jahrhunderts | Albert Manke, Köln |
05.12.2013 | Citizenship und Gender in Brasilien: Frauen in den Hausbesetzungen von Rio de Janeiro | Bea Wittger, Köln |
12.12.2013 | Queer geht’s lang. Und wohin? | Dirk Schulz, Köln |
19.12.2013 | Zur rechtlichen und sozialen Situation von LGBT in Lateinamerika: Kontinentale Errungenschaft und Erfolgsmodell für den Globalen Süden? | Klaus Jetz, Köln |
26.12.2013 | Weihnachtsferien |
|
02.01.2014 | Weihnachtsferien |
|
09.01.2014 | XXY - Filmvorführung |
|
16.01.2014 | Activismo travesti y controversias públicas sobre identidades transgénero en Argentina | Ana Alvarez, Zürich |
23.01.2014 | Ausgebeutet oder Empowert? Migration und Geschlecht im mexikanischen Borderland | Elisabeth Tuider, Kassel |
30.01.2014 | Das große Los des gringos? – Sextourismus in Brasilien vor dem Hintergrund ungleicher Geschlechter- und Klassenverhältnisse | Johanna Neuhauser, Kassel |
06.02.2014 | Feminismo Indigena: Wandlungsprozesse in der Konstruktion von Geschlechterverhältnis und Identität. | Juliana Ströbele-Gregor, Berlin |
Männergeschichte? – Geschlechtergeschichte! Männer und Männlichkeiten in der historischen Geschlechterforschung
31.10.2013 (Olaf Stieglitz, Köln)
Der Vortrag fragt nach dem Platz von Männern und Männlichkeiten innerhalb einer mehrfach relational gedachten historischen Geschlechterforschung. Die „Männergeschichte“ boomt und hat wertvolle Ergebnisse hervorgebracht, doch waren die Konsequenzen für die Geschlechtergeschichte insgesamt nicht nur positiv. Der Vortrag versucht, Bilanz zu ziehen und zugleich programmatische Ziele zu formulieren.
Der kreolische Stil und die „Hand Gottes“ – Fußball und Männlichkeit in Argentinien
07.11.2013 (Bernadette Goldberger, Wien)
Der Vortrag betrachtet Fußball als öffentliche Arena für die Produktion von Bedeutungen und Werten und die Konstruktion soziokultureller Identitäten sowie die damit verbundenen symbolischen Kämpfe um hegemoniale Definitionsmacht und kulturelle Legitimität.
Am argentinischen Beispiel soll gezeigt werden, wie im Fußball Männlichkeiten produziert und exklusiv männliche Charakteristiken als gemeinschaftsdefinierend etabliert werden. Die „kreolische Spielweise“ diente der Herausbildung einer (männlichen) nationalen Identität über Differenzierung vom ursprünglich britischen Sport. Der „typisch argentinische“ Spieler stellt mit seiner „picardía“ (etwa „Schlitzohrigkeit, gewitzter Betrug“) gleichzeitig eine Metapher der Argentinität dar, die das argentinische Selbstbild prägt.
In dieser „dissonant“ konzipierten Männlichkeit dominieren nicht-athletische Körper und moralisch ambivalente Spielertypen. Maradona, als kleiner, tricksender Spieler und in ständiger Konfrontation mit dem „Establishment“, dominierte dieses populare Narrativ im argentinischen Fußball gerade wegen seiner Widersprüchlichkeit. Sein legendäres Tor mit der „Hand Gottes“ kondensiert das Motiv der „picardía“ als kreatives Umgehen dominanter Disziplinarlogiken aus einer subalternen Position.
Der Mythos des argentinischen Fußballs ist somit einer individueller männlicher Helden. Das symbolische Vakuum nach Maradonas Abschied macht ab den 1990ern vermehrt die Fans zu den medialen Protagonisten des sportlichen Diskurses. Die Gewaltkultur der militanten Fangruppen ist wiederum eine eminent männliche Praxis. Männlichkeit steht hier im Gegensatz zu Homosexualität und Pubertät, die zunehmende Sichtbarkeit weiblicher Zuschauer ist daher keine Bedrohung für das männliche hegemoniale Subjekt, sondern gestaltet sich innerhalb männlich organisierter Narrative. Weibliche Fans reproduzieren das maskuline Ethos im gemeinsamen Stadienbesuch, indem sie sich von Brüdern/Partnern etc. beschützen lassen (müssen) und so „geschützte Exklusion“ erfahren.
Vom postkolonialen machismo zur Metrosexualität, zur Drogenwelt und zur diversifizierten Homosexualität. Entwicklungen, Herausforderungen und Subversionen in den neuen Männlichkeiten Lateinamerikas
14.11.2013 (Dieter Ingenschay, Berlin)
Der Vortrag liefert zunächst einen Überblick über Stand und Ausprägung der Männlichkeitsforschung der letzten Jahrzehnte in Lateinamerika. Sodann wendet er sich drei für lateinamerikanische Männlichkeitsentwürfe spezifischen Phänomenen zu: Erstens den Jugendbands (maras) mit ihrer Narco-Ästhetik, welche den traditionellen machismo bestätigen, zweitens den gut gestellten ‚Metrosexuellen’, die Produkte des globalisierten Marktes sind, und drittens neuen ‚Identitätsentwürfen’ in den homosexuellen Gemeinschaften einzelner lateinamerikanischer Kulturen bzw. Gesellschaften.
Geschlechterverhältnisse in Lateinamerika. Neue Entwicklungen und alte Konflikte
21.11.2013 (Anne Tittor, Bielefeld)
Viele Regierungen Lateinamerikas haben in den letzten Jahren Gesetze und Regelungen verabschiedet, die den Abbau geschlechtsspezifischer sozialer Ungleichheiten in verschiedensten Bereichen anstreben: Innerhalb der Gesundheits- und Bildungspolitik werden geschlechtersensible Maßnahmen eingeführt, bei den Sozialversicherungssystemen und auf dem Arbeitsmarkt wird der Benachteiligung und Marginalisierung von Frauen entgegengewirkt.
Manche Länder haben zudem gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften weitgehend gleichgestellt und Regelungen zum Geschlechtswechsel liberalisiert.
Viele Regierungen zielen bei ihrer Armutsbekämpfungspolitik im Rahmen der Cash Transfers darauf, die Stellung der Frauen innerhalb der Familie aufzuwerten - jedoch mit recht ambivalenten Folgen.
Der Vortrag gibt einen Überblick über die gegenwärtigen Veränderungen und stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob und inwiefern die Politiken tatsächlich zu einer größeren Geschlechtergleichheit beitragen. Auf welchen Ebenen des Geschlechterregimes setzen die Politiken an und welche Folgen sind zu erwarten? Welche alten Konflikte bestehen weiterhin und welche Bereiche der Geschlechterverhältnisse werden in staatlicher Politik und der öffentlichen Debatte gegenwärtig ausgespart?
Frauen in Guerillas im Lateinamerika des 20. Jahrhunderts
28.11.2013 (Albert Manke, Köln)
Mit dem Beginn des Kalten Krieges kam es in Lateinamerika zu einem Aufflammen der Guerillabewegungen, denen zunehmend auch Frauen angehörten. Während sie dort bis etwa in die 1960er Jahre stark unterrepräsentiert waren, forderten sie auch unter dem Einfluss feministischer Debatten in den 1970er Jahren ihre Partizipation am bewaffneten Kampf ein. In einigen Guerillas stellten sie bald einen signifikanten Anteil der KombattantInnen und erfüllten wie bereits zuvor zahlreiche weitere Aufgaben. Dabei stießen die Guerilleras häufig auf erhebliche Vorbehalte und Vorurteile, sowohl seitens der Guerilleros, als auch in ihrem familiären und weiteren sozialen Umfeld. Während die Forderung nach Frauenrechten anfangs nur zögerlich Eingang in die politischen Agendas der Guerillabewegungen fand, sollten sie in den 1990er zu einem zentralen Bestandteil des Forderungskatalogs einiger Guerillas werden (z.B. in der EZLN). Dieser Vortrag beleuchtet die Rolle von Frauen in einigen Guerillas, anhand derer der Verlauf dieser Entwicklung verdeutlicht werden kann. Darüber hinaus erfolgen auf Grundlage eigener Forschungsergebnisse zu Frauen in revolutionären Milizen Ergänzungen zum bisherigen Forschungsstand dieser Thematiken.
Citizenship und Gender in Brasilien: Frauen in den Hausbesetzungen von Rio de Janeiro
05.12.2013 (Bea Wittger, Köln)
Mit der Verfassung von 1988, auch Constituição cidadã genannt, wurden die Bürgerrechte in Brasilien erheblich ausgebaut. So wurde auch das Recht auf Wohnraum in die Verfassung aufgenommen. Bis heute ist jedoch eine ausgeprägte Diskrepanz zwischen dem in der Verfassung formulierten Anspruch auf Wohnraum und seiner Umsetzung in der Praxis, vor allem für die ärmere Bevölkerung, festzustellen. In Brasilien engagieren sich daher zahlreiche urbane soziale Bewegungen für die Rechte Obdachloser und der Menschen, die in „informellen“ Siedlungen, wie etwa den Favelas, leben. Sie bringen ihren Protest in den urbanen Zentren v.a. durch Hausbesetzungen zum Ausdruck und entwickeln so eigene Formen der Selbsthilfe. Auffallend ist die starke Präsenz und Beteiligung von Frauen in diesen Bewegungen. Im Rahmen des Vortrages soll die Beziehung zwischen Citizenship und Gender am Beispiel zweier Hausbesetzungen der sozialen Bewegungen, die für die Garantie des verfassungsmäßigen Rechtes auf Wohnraum kämpfen, genauer dargestellt werden. Besonders die Frauen als Akteurinnen innerhalb dieser Besetzungen stehen dabei im Mittelpunkt der Analyse.
Queer geht’s lang. Und wohin?
12.12.2013 (Dirk Schulz, Köln)
Queer bzw. Queer Theory ist mittlerweile scheinbar zu einem festen und prominenten Feld der Gender Studies geworden. Im Rahmen dieser Ringvorlesung möchte ich daher ein paar ihrer theoretischen Grundannahmen – wie die heteronormative gesellschaftliche Matrix von Geschlecht und Sexualität und die performative Konstruktion und Wiederholung dieser binären Geschlechterordnung – skizzieren und Dekonstruktion und Denaturalisierung als queere Subversionsstrategien vorstellen. Zudem geht der Beitrag der Entstehung und Entwicklung queerer Positionen nach und weist auf die Möglichkeiten und Gefahren der Etablierung von Queer innerhalb der Gender Studies hin, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten feststellen lassen.
Zur rechtlichen und sozialen Situation von LGBT in Lateinamerika: Kontinentale Errungenschaft und Erfolgsmodell für den Globalen Süden?
19.12.2013 (Klaus Jetz, Köln)
Der Vortrag zeichnet die Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte nach und informiert über die Situation von LGBT in Lateinamerika, die große regionale und rechtliche Unterschiede aufweist. Ein Schwerpunkt liegt auf Nicaragua, wo der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und seine Hirschfeld-Eddy-Stiftung (HES) seit einigen Jahren mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes LGBT-Projektarbeit durchführen.
Der Referent, Geschäftsführer des LSVD und der HES, berichtet aus der Perspektive eines Aktivisten der international vernetzten LGBT-Bewegung, deren Kampf auf verschiedenen Ebenen um die Themen Entkriminalisierung, rechtliche Gleichstellung und Akzeptanzarbeit kreisen. Weiterer Schwerpunkte des Vortrages sind die Themen der religiös motivierten Homo- und Transphobie und die Rolle des Vatikans.
XXY - Filmvorführung
09.01.2014
Alex kommt mit männlichen als auch weiblichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt. Als inzwischen 15-Jährige sieht sie sich nicht nur Pubertätsproblemen, sondern auch gesellschaftlichen Anfeindungen ausgesetzt. Um dem Tratsch der Nachbarn zu entgehen, ist die Familie an einen einsamen Küstenstreifen hinter den Dünen gezogen. Als ein befreundeter Chirurg zu Besuch kommt und eine mögliche Operation ins Auge fasst, um ein "richtiges" Mädchen aus ihr zu formen, steht Alex vor einer existenziellen Entscheidung.
Activismo travesti y controversias públicas sobre identidades transgénero en Argentina
16.01.2014 (Ana Alvarez, Zürich)
Tomando como eje la aprobación de la Ley de Identidad de Género me propongo mirar la construcción y transformaciones ocurridas en la identidad política transgénero en la Argentina, desde la irrupción del activismo travesti a comienzos de los noventa. Este surge luchando contra edictos policiales que las reprimen y asesinan. Por una combinación de procesos globales y locales, a fines de los noventa comenzarán a aparecer otras identidades transgénero (como hombres trans). La confluencia de identidades trans, queers y lesbianas producirá una ley de Identidad de Género en 2012 única en el mundo, donde se despatologiza las identidades trans.
Ausgebeutet oder Empowert? Migration und Geschlecht im mexikanischen Borderland
23.01.2013 (Elisabeth Tuider, Kassel)
Als der mexikanische Staat Mitte der 1960er Jahre die Voraussetzungen für die Maquiladora-Industrie an der Nordgrenze zu den USA schuf, wurden insbesondere die Migrationsbewegungen von Frauen davon inspiriert. Schließlich bot sich ihnen durch die Migration hin zu den „Lohnveredlungsindustrien“ eine Möglichkeit zu einer Anstellung im formellen Sektor, womit prinzipiell auch Veränderungen der familiären Konstellation verbunden sein können.
Die internationale Solidaritäts- sowie die feministische Literatur kritisiert die Arbeitsbedingungen in der Maquila als ausbeuterisch und sexistisch. Auf der anderen Seite – so werde ich im Vortrag auf Basis von Feldforschungen in der Grenzregion zeigen – heben die an die mexikanische Nordgrenze migrierten Frauen die mit der Arbeit in der Maquila einhergehenden Handlungsoptionen sowie den Zugewinn an „Würde“ hervor. Die Arbeiterinnen verweisen damit auf die Möglichkeit eines Empowerments im mehrfach machtvoll strukturierten Borderland.
Im Vortrag wird der Zusammenhang von Migration und Geschlecht am Beispiel Mexikos grundsätzlich thematisiert, die Migrationssituation von Frauen zwischen Ausbeutung und Empowerment reflektiert und die aktuellen Care-Debatten aufgegriffen. Am Beispiel biographischer Erzählungen von in Ciudad Juaréz arbeitenden Migrantinnen werde ich u.a. auch auf den Umgang mit transnationalen Lebensbedingungen eingehen und insbesondere auf die neuen Herausforderungen an die Gestaltung von Mutterschaft zu sprechen kommen.
Das große Los des gringos? – Sextourismus in Brasilien vor dem Hintergrund ungleicher Geschlechter- und Klassenverhältnisse
30.01.2013 (Johanna Neuhauser, Kassel)
Sich einen gringo zu angeln, sei wie im Lotto zu gewinnen, meint Thaiana, die in Rio de Janeiro im Sextourismus tätig ist. Damit drückt sie die große Bedeutung aus, die ausländischen Männern im Feld des Sextourismus zugesprochen wird. Die Figur des gringos wird in den erhobenen Interviews mit Sexarbeiterinnen über den negativen Gegenhorizont des Brasilianers konstruiert. In der Darstellung des brasilianischen Manns als triebgesteuerten Macho wird der gringo als edler Gentleman repräsentiert. Die Idealisierung ausländischer Männlichkeit drückt eine Unzufriedenheit mit den lokalen Geschlechterarrangements sowie der eigenen sozialräumlichen Position aus. Insbesondere in den Erzählungen von der erhofften Unterstützung des Ausländers wird der Wunsch nach sozialer Mobilität deutlich. Beziehungen mit gringos werden jedoch nicht von allen befragten Frauen angestrebt, sondern aufgrund der mit ihnen verbundenen Abhängigkeit auch hinterfragt. In den asymmetrischen Beziehungen zwischen Brasilianerinnen und Ausländern werden einerseits Ungleichheitsverhältnisse entlang von Geschlecht, Klasse und Nationalität fortgeschrieben. Indem die Frauen mit gesellschaftlichen Repräsentationen der “Dritte-Welt-Frau” spielen und damit an die Hilfsbereitschaft des gringos appellieren, reproduzieren sie andererseits nicht nur gesellschaftliche Asymmetrien, sondern nützen diese auch handlungsmächtig zu ihrem Vorteil.
Feminismo Indigena: Wandlungsprozesse in der Konstruktion von Geschlechterverhältnis und Identität.
06.02.2013 (Juliana Ströbele-Gregor, Berlin)
In diesem Vortrag werden Wandlungsprozesse bei der Konstruktion der Geschlechterrollen von indigenen Frauen in Bolivien näher betrachtet. Öffentlich sichtbar wurden diese Entwicklungen anlässlich der Debatten der Verfassungsgebenden Versammlung 2006. Hier hat es erstmals Bündnisse von indigenen und nicht-indigenen Frauenorganisationen zum Themenfeld Rechte gegeben. Aktuell geht es weiterhin um Frauenrechte, Identitätsdiskurse, Selbstwahrnehmung, Forderungen nach Umgestaltung der Lebenswelten. Verschiedene Ansätze und Aktivitäten haben zu dieser Entwicklung beigetragen. Nun gewinnen neuere Konzepte an Boden: Dazu gehören der „Feminismo Indígena“, der in Lateinamerika immer stärker diskutiert wird; der Praxis bezogene Ansatz „Feminismo Comunitario“ der NGO Mujeres Creando in Bolivien, mit dem diese Feministinnen in indigenen Gemeinden Bewusstseinsarbeit mit Förderung von Kommunalentwicklung verbinden; sowie das Programm „Decolonización – Despatriarcalización“ der bolivianischen Regierung.
Indigene Frauenorganisationen – so mein Fazit – haben neue Handlungsräume erobert. Dabei gibt es eine Vielfalt an Selbstkonstruktionen und Gesellschaftsvorstellungen. Die Überwindung der Geschlechterhierarchien des kolonialen, postkolonialen Erbes nimmt in der Agenda einen zentralen Platz ein – sowohl in Debatten wie in der Umgestaltung des Alltagslebens und der politischen Praxis. Und der kritische Blick auf jene eigenen „Traditionen“, in denen Frauen auf vielfache Weise benachteiligt werden, wird nicht mehr verdrängt. Die Erklärung der Revolutionären Frauenrechte der Zapatistinnen, Chiapas 1993 trägt Früchte.