Ringvorlesung Lateinamerika Sommersemester 2017
Seit vielen Jahren veranstalten das Zentrum Lateinamerika (CLAC) und der Arbeitskreis Spanien-Portugal-Lateinamerika (ASPLA) eine interdisziplinäre Ringvorlesung zu kultur-, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Themen mit Lateinamerikabezug. Die Vortragsreihe richtet sich an Studierende aller Fakultäten der Universität zu Köln, an GasthörerInnen, LehrerInnen und SchülerInnen sowie die interessierte Öffentlichkeit und umfasst Beiträge herausragender nationaler und internationaler ExpertInnen verschiedener Fachbereiche.
Globalgeschichte Lateinamerikas. Transkulturationen und Verflechtungen von Menschen, Dingen und Wissen
Die "Neue Welt", las Indias und später Spanisch-Amerika sowie Lateinamerika haben einen entscheidenden Beitrag in der Entstehung unserer heutigen Welt und unseres heutigen Weltbildes. Dabei spielten nicht nur Verflechtungen und Transkulturationen zwischen Europa und Amerika eine Rolle, sondern zunächst vor allem zwischen den Amerikas in der Karibik sowie zwischen Afrika und Amerika/Amerika und Ostasien (Philippinen/Molukken/China).
Menschen als Akteure waren das wichtigste Movens dieser Globalisierungsgeschichte Lateinamerikas. Nach der Migration der Kapitäne, Conquistadoren und frühen Siedler (und viel weniger Siedlerinnen) und der grausamen Initiierung des biologischen Austausches (Viren/ Krankheitserreger, Keime, Unkraut, Großvieh) waren es zunächst, bis etwa 1830, viel mehr Verschleppte aus Afrika (6-8 Mio.) als "freiwillige" MigrantInnen aus Europa (ca. 2-3 Mio.) und einige Hunderttausende aus Ostasien (China, Philippinen, Japan). Erst mit der massiven Industrialisierung kamen dann wieder Millionen von Menschen aus Europa.
Das spätere Lateinamerika war in der gesamten Zeit der Globalisierungen in der Moderne ein Wissens- und Experimental- sowie Transkulturationsraum (letzteres als weltweit erste globale Region – deshalb machte etwa ein Humboldt seine Forschungsreise nicht in die USA, nach Afrika oder Asien, sondern eben nach Spanisch-Amerika). Lateinamerika war auch ein Raum, der extrem viel in den globalen Austausch (Edelmetalle, pflanzliche Nahrungsmittel/ Früchte, Drogen/ Medizinen, cash crops, Zucker, Objekte/ Musealien; Fleisch) und Verflechtungen einspeiste. Wissen sowie Kosmopolitismus, inklusive die "Erfindung" der Vergangenheit einer sich globalisierenden Menschheit ("Hochkulturen" und anthropologisches Funktionieren früher Stammesgesellschaften (Morgan)) gehörten dazu.
Termine im Sommersemester 2017
Die Ringvorlesung Lateinamerika findet jeweils donnerstags von 17:45-19:15 Uhr in S22 (Seminargebäude) statt.
Vorlesungsausfälle: 25.05. (Himmelfahrt), 08.06. (Pfingsten), 15.06. (Fronleichnahm)
Einführung - Michael Zeuske (Köln)
Sklavereien und Sklavenhandelssysteme in den Amerikas - die Neue Welt in der Globalgeschichte 1493-1900 - Michael Zeuske (Köln)
Die Amerikas spielen in der Globalgeschichte vor allem als Sklavereiimperien eine wichtige Rolle. Einmal als Imperium der so genannten "ersten Sklaverei" (Sklavereien und Abhängigkeitsformen von Indigenen in Kolonial- und Frontiergebieten) und als Imperium der "zweiten Sklavereien" (Second Slavery) vor allem in Brasilien, in der Karibik, speziell auf Kuba im 19. Jahrhundert, und im Süden der USA. Die Produktion von Edelmetallen (vor allem Silber), die die Rolle Amerikas in der Globalisierung seit dem 16. Jahrhundert begründet, wird von anderen Abhängigkeitsformen geprägt, aber "erste" Sklavereinen und Luxussklaverei von Menschen aus Afrika spielen auch hier eine wichtige Rolle. Ressourcen- sowie Commodity-Wirtschaften (cash-crops) in der Plantagen-Export-Produktion und im Goldbergbau wurden im Laufe der Neuzeit, seit ca. 1700, immer wichtiger. Sklavereien und Sklavenhandelssysteme existierten in der ganzen Welt, aber durch die Süd-Süd-Verbindung mit Afrika (sowie Philippinen, China und Indien) werden, von den Amerikas ausgehend, Akkumulationsmechanismen in Gang gesetzt, die zur Entstehung der Moderne führen, wie wir sie heute kennen. Der Betriebstyp "Plantage" und das Hochseeschiff als Sklavenschiff spielen dabei eine extrem wichtige Rolle als Modernisierungsmaschinen, auch in der globalen Wissensgeschichte.
Beyond Iberoamerica: Transkulturationsprozesse in der Frontier Kontinentalamerikas und der Karibik in der Vormoderne - Christian Cwik (Köln/Trinidad and Tobago)
Seit dem Beginn der Eroberungen der sogenannten westlichen Hemissphäre drangen tausende Europäer und Afrikaner auch illegal in Kontinentalamerika und der Karibik ein und veränderten die Kolonialgesellschaften nachhaltig. Die meisten der illegalen Migranten stammten nicht aus Kastilien oder Portugal nicht einmal aus Aragon, Navarra oder einem der abhängigen Gebiete der iberischen Kronen. Ihre Illegalität zwang sie oft sich außerhalb der kolonialen Städte und Produktionsstätten anzusiedeln. Die Folge dieser Entwicklung war die Herausbildung von Frontieren zwischen kolonialer und indigener Herrschaft, die von den iberoamerikanischen Kolonialstrukturen teilweise völlig abgekoppelt waren. Fremde Mächte wie die Franzosen, Niederländer und Engländern nutzten diese Frontiere als Absatzmärkte für ihre Produkte und unterstützten so die ökonomische und politische Autonomie dieser Räume.
Der Vortrag beschäftigt sich mit einer geographischen Verortung der verschiedenen Frontieren in der Vormoderne, wobei ich das nördliche Südamerika im Detail beleuchten werde. Darüberhinaus werde ich versuchen die unterschiedlchen ethnischen, religiösen und sozialen Gruppen in den Frontieren (Arochelas und Palenques sowie in den Piratencommunities) zu beschreiben und Transkulturationsprozesse zu rekonstruieren. Abschließend wird noch auf den Einfluss und die Auswirkungen der nicht-iberischen europäischen Mächte auf die Frontiere eingegangen.
Borges y Oriente. Su lectura y apropiación del budismo - Jorge Locane (Köln)
Jorge Luis Borges dedicó gran empeño al estudio y comprensión de sistemas de pensamiento no occidentales, entre ellos al budismo. De este trabajo de investigación, dejó testimonios explícitos como el artículo de 1950 “La personalidad y el Buddha”, “Formas de una leyenda”de 1952 y, por último, el libro de 1976 ¿Qué es el Budismo?, escrito en colaboración con Alicia Jurado. También textos complementarios como la traducción de Un barbare en Asie (1933), de Henri Michaux. Si bien es constatable que este interés estaba presente en Borges ya en una fase muy temprana y que lo acompañó toda la vida, también es cierto que su contacto directo con el Oriente budista se establece en un período tardío y que nunca dominó lenguas asiáticas. Su aproximación al budismo se realizó, por lo tanto, mediante la lectura de orientalistas europeos como Paul Deussen, Lafcadio Hearn, Arnold Edwin, Arthur Schopenhauer y Algernon Bertram Freeman-Mitford. Este acceso mediado permite explicar que nunca se haya sentido exactamente competente para discurrir sobre el budismo. En una conferencia pronunciada en 1977, a propósito de su viaje a Japón con María Kodama, dijo: “Nuestro viaje se había organizado un poco alrededor de ese mísero librejo de Alicia Jurado y mío que había sido vertido al japonés; sin duda, quienes lo tradujeron sabían mucho más que nosotros sobre el tema. Les interesaba saber qué podía pensar un occidental, un mero bárbaro, de la fe del Buda, y así pudimos visitar ciudades, ríos, santuarios, monasterios, jardines. Yo pude conversar con un monje de un monasterio budista. Este muchacho, de unos treinta años, había estado dos veces en Nirvana; me dijo que él no podía explicármelo, y yo le entendí. Toda palabra presupone una experiencia compartida. Si yo digo ‘amarillo’, se entiende que el interlocutor ha visto el color amarillo. Si no lo ha visto, la palabra es inútil. Bien, él no podía explicarme nada porque yo no había alcanzado el Nirvana”. Esta “falta de experiencia”, que, sin embargo, encubre un profundo y sistemático estudio del budismo, estará en el foco de la sesión “Borges y Oriente: su lectura y apropiación del budismo”. Luego de hacer un recorrido por algunos textos donde Borges intentó exponer su modo particular de entender la doctrina, examinaremos algunos de sus textos de ficción bajo la premisa de que el budismo, ante la dificultad de entenderlo en su sentido más pleno, se convirtió en un nutriente decisivo para el desarrollo de su universo ficcional.
Vortragssprache: Spanisch
Wissensaustausch und Anfänge des Kohlebergbaus in Mexiko, Kuba und Philippinen (1800-1900) - Helge Wendt (Berlin)
Mit dem Beginn von Steinkohlebergbau wird gemeinhin auch der Beginn von Industrialisierung angesetzt. Dass Steinkohlebergbau jedoch kein triviales Unternehmen war, sondern komplexes Wissen verlangte wird besonders in Kuba, Mexiko und den Philippinen deutlich. Der Vortrag möchte zum einen zeigen, welches Wissen nötig war, um Bergwerke zur Gewinnung des fossilen Brennstoffs aufbauen zu können. Hierbei spielt die Wissenskommunikation eine ebenso wichtige Rolle, wie der Absatzmarkt für Kohle in der Industrieproduktion. Zum anderen werden Scheitern und Erfolg im Zusammenhang mit Wissensaustausch, Wissensgenerierung und den jeweiligen Möglichkeiten zur Anwendung bei Unternehmungsgründungen und -expansion in kolonialen und post-kolonialen Situationen thematisiert. Die Geschichten des Steinkohlebergbaus in Mexiko, Kuba und den Philippinen sind Teil einer globalen Umstellung von Energiesystemen auf fossile Energieträge. Aufgrund der zu Teilen Europas verschiedenen Industrialisierungsgeschichte im 19. Jahrhundert, muss jedoch ganz besonders auf die lokalen Bedingungen geachtet werden, die den Steinkohlebergbau jeweils beeinflusst haben.
Lugares y taskscapes en el norte de Bohío – Sobre el uso del ambiente y la configuración del territorio de mundos en conflicto - Eduardo Herrera Malatesta (Leiden)
El Objetivo general de esta investigación es estudiar cómo la evidencia arqueológica y los datos históricos y cartográficos del norte de la isla de Bohío (actuales República de Haití y República Dominicana) reflejan los diferentes usos del ambiente y la configuración del territorio entre la población indígena y los primeros españoles. Esta investigación busca alejarse de los estudios tradicionales enfocados en ideas de jerarquía social y cacicazgos, y en cambio se enfocó en explorar el significado de las distribuciones de sitios y materiales y buscar sus explicaciones dentro de un marco que nos lleve a entender las cosmovisiones del pasado. Un aspecto metodológico para comenzar este debate fue referirse a la isla con su nombre indígena y español dependiendo del contexto temporal e histórico, y del grupo al que se haga referencia. Se parte de la hipótesis de que el estudio de la distribución de sitios y cultura material, así como las referencias tempranas de cronistas y cartógrafos, permitió conocer los variados usos del ambiente por parte de estos grupos. Este resultado aportó evidencias para entender los conflictos ocurridos durante los procesos de conquista y colonización desde la perspectiva de las visiones de mundo. El estudio de caso seleccionado para abordar esta cuestión fue la costa de la provincia de Montecristi, en el noroeste de la actual República Dominicana. Esta selección respondió a que el área geográfica que abarca la provincia está situada entre las zonas donde los españoles ubicaron los principales y más importantes pueblos y fortalezas durante el inicio del proceso de conquista y colonización, por lo que la población que vivió experimentó los primeros impactos del colonialismo europeo.
Vortragssprache: Spanisch
Caribs, Arawaks and Tupi: Caribbean Ethnogenesis and European Cartography, 1500-1650 - Surekha Davies (Danbury/Berlin)
In the first half of the sixteenth century, German and Iberian mapmakers drew on travel writing about the Caribbean islands and devised the concept of the Brazilian cannibal, a visual motif that rapidly became an iconic image of the inhabitants of the New World. This lecture will argue that neither the elements of the motif nor the motif itself were inevitable given the available source material. By analyzing images and descriptions on maps, and in prints and travel accounts, this lecture will show how mapmakers played a key role in early modern ethnography, and in the practice of science as a visual pursuit. The association of northern South America with cannibalism – a practice that the Iberian crowns considered to be a justification for enslaving people – took place against a backdrop of colonial debates about the proper administration of the region and the nature of its inhabitants.
Vortragssprache: Englisch
Geduldete Fremde. Migrationspolitik und europäische Ausländer in Spanisch-Amerika während des 18. Jahrhunderts - Martin Biersack (München)
Grenzkontrollen, illegale Immigration, Ausweisungskampagnen, Menschen ohne Aufenthaltsrecht – angesichts dieser Schlagworte könnte man dem spanischen Imperium des 18. Jahrhunderts ein erstaunliches Maß an „Modernität“ zuschreiben. Tatsächlich verboten es die Gesetze nichtspanischen Europäern, sich in den amerikanischen Territorien Spaniens anzusiedeln. Trotzdem lebte dort eine bedeutende Anzahl von Ausländern (extranjeros). Fehlende staatliche Institutionen, ein wenig besiedeltes Land und eine nur schwer zu überwachende Küste machten die obrigkeitliche Kontrolle der Immigration von Ausländern nach Spanisch-Amerika weitgehend unmöglich. Um Migrationsprozesse zu steuern, war die Regierung stark auf die Mitwirkung der Bevölkerung angewiesen. Zwar wurden Ausländer weitgehend geduldet, sofern sie keinen Anlass zu Konflikten gaben, allerdings war ihre Situation aus diesem Grund auch prekär. Wurde ein Ausländer einem Spanier beispielsweise lästig, weil er ihm Konkurrenz machte, konnte er versucht sein, ihn anzuzeigen, sodass die Ausweisung drohte.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich vor dem Hintergrund von Revolutionen, Kriegen und ökonomischen Problemen die Bewertung der Migranten durch die Regierung. Ausländer wurden nun häufig als sicherheitspolitisches Risiko eingestuft, wobei vor allem die als Revolutionäre verdächtigen Franzosen oder die als Kriegsgegner diffamierten Engländer und Portugiesen ins Visier der Behörden gerieten. Die nachbarschaftliche Kontrolle der Ausländer mittels der Denunziation war in dieser Situation nicht mehr genug. An ihre Stelle trat eine – wenn auch rudimentäre – institutionalisierte Kontrolle durch Bürokratie und Polizei.
Las cicatrices del paisaje como fuente histórica. Cimarronaje y procesos resilencia entre africanos y sus descendientes en la costa norte de Colombia. Siglos XVII al XIX. - Caterina Mantilla (Köln)
En el contexto latinoamericano, y particularmente en el Colombiano, el acceso a la tierra ha sido uno de los vectores más problemáticos de la política social desde inicios del periodo republicano. Grandes concentraciones de tierra en algunas pocas manos y un gran número de personas que, bajo relaciones de explotación, servilismo y esclavitud, han conseguido un acceso limitado a ésta. En esta presentación me centro en el análisis arqueológico del paisaje cultural asociado a una población de origen cimarrón en la costa norte de Colombia, San Basilio de Palenque. Éste es tomado como ejemplo para analizar las tácticas y estrategias empleadas por los africanos y sus descendientes, como parte del acceso y control efectivo de la tierra en contextos de esclavitud, así como de expansionismo agrícola y ganadero posteriores.
El surgimiento y desaparición de asentamientos, las modificaciones y alteraciones hechas al entorno – como caminos y rutas – las evidencias cerámicas, entre otras, aparecen como huellas, hendiduras y cicatrices inscriptas en el paisaje que remiten a momentos disruptivos pero también de reinvención por parte de la población allí asentada. En tal caso, es importante preguntarse ¿Cómo poder comprender un lugar en constante gestación? ¿De qué manera estas estrategias permitieron el control efectivo y continuo a los africanos y sus descendientes de un área en momentos de restricción y negación oficial? Así pues, el cimarronaje y la resilencia aparecen como marcos de referencia que obligan a repensar la lectura de este paisaje no como el resultado diacrónico de acciones, sino como un otro creado desde la fractura y la disrupción.
Vortragssprache: Spanisch
Populäre Märkte als Kristallisationspunkte ethnischer und sozialer Identität - Carmen Ibáñez Cueto (Köln)
Die populären Märkte Lateinamerikas sind mehr als bloße Orte des Warenaustauschs. Vielmehr werden in ihnen kulturelle Werte, soziales Kapital, Hierarchien und Machtverhältnisse sowie ethnische und soziale Identitäten verhandelt und transformiert. Die Konstruktion der Identität und ihr Verhältnis zu Gesellschaft und Staat (citizenship) ist ein Thema von wachsender Bedeutung sowohl für die akademische Forschung als auch auf der politischen Agenda vieler Staaten Lateinamerikas, insbesondere in Bezug auf indigene und migrantische Gruppen.
In der kolonialen Stadtstruktur Lateinamerikas war in zentraler Lage, in der Nähe der Kirche und der Plaza ein Marktplatz vorgesehen, an dem die Präsenz der Indígenas geduldet wurde, die ihre Waren aus den ländlichen Gegenden mitbrachten und dort zum Verkauf anboten. Heute ist der Markt ein Mikrokosmos, in dem die Prozesse ethnischer und sozialer Veränderungen auf engem Raum beobachtet werden können – mehr noch, oftmals ist es der Ort, an dem diese Prozesse vorbereitet und ausgehandelt werden, ein "Kristallisationspunkt" ethnischer und sozialer Identitäten. Somit lässt sich die Studie der populären Märkte als Fallstudie in ein größeres Forschungsprojekt einordnen, dessen Gegenstand die Untersuchung der sozialen und ethnischen Transformationen in Lateinamerika auf der Grundlage der Theorie des sozialen Kapitals und unter Berücksichtigung der verschiedenen Migrationsbewegungen ist.
Ambivalente Bilder: Fotos und Bildpostkarten aus Südamerika im Deutschen Reich, ca. 1890-1930 - Hinnerk Onken (Köln)
In seinem Vortrag beschäftigt sich Hinnerk Onken mit der Vorstellung von Südamerika, wie sie dem deutschen Publikum zwischen ca. 1880 und 1930 v.a. in visuellen Medien vermittelt wurde. Der Vortrag konzentriert sich auf gedruckte Fotografien und Bildpostkarten, jedoch ist die Untersuchung ihres Zusammenwirkens mit literarisch vermittelten Vorstellungen des Subkontinents ein weiterer wichtiger Aspekt. Darüber hinaus werden auch Kontinuitäten und Brüche im Südamerikabild seit dem 16. Jahrhundert thematisiert. Eine globalgeschichtliche Komponente hat das Thema nicht nur wegen der Universalität der visuellen Medien; für die Untersuchung bestimmter Phänomene wird der Blick immer wieder über den „geografischen Tellerrand“ hinaus auf Afrika, den Orient und die Südsee gerichtet. Neben Hybridisierungen, wissenschaftlichen Zuschreibungen etwa durch die Naturkunde, Anthropologie und Ethnologie oder der Exotisierung und Erotisierung fremder Kulturen und ferner Länder gilt dies insbesondere für die zeitgenössische Integration Südamerikas in den deutschen Kolonialdiskurs des 19. und 20. Jahrhunderts. Auf den ersten Blick mag dies ein paradoxes Unterfangen sein, denn zum einen bestand der Großteil des Territoriums Südamerikas bereits seit den 1810er und 1820er Jahren aus unabhängigen Staaten. Zum anderen war das Deutsche Reich ab 1919 in den Worten von Marcia Klotz „a postcolonial state in a still-colonial world“. Darüber hinaus waren deutsche Staaten nie in größerem Umfang als koloniale Macht in Südamerika in Erscheinung getreten. Dennoch war der Subkontinent seit der Kolonialzeit und besonders im Anschluss an Humboldts Südamerikareise ein integraler Bestandteiler deutscher Kolonialfantasien, wie etwa Susanne Zantop gezeigt hat. Während der deutschen Kolonialzeit von den 1880er Jahren bis 1914/18 wurden diese Kolonialfantasien mit immer neuen Romanen, Erzählungen und Reiseberichten sowie mit Bildmedien gefüttert. Hinzu kamen zahlreiche Berichte von und über deutsche Auswanderung und sogenannte „Auslandsdeutsche“ v.a. in Südbrasilien. Der Kolonialdiskurs und der Diskurs der Auswanderung nach Südamerika, geprägt war von den Begriffen „Kolonisation“, „Kolonist“ und „Kolonie“ verschmolzen. Insgesamt liefert der Vortrag eine umfassende, kulturwissenschaftlich ausgerichtete Medien- und Wissensgeschichte des europäisch-südamerikanischen Kulturkontaktes.
Von rufenden Objekten und reisenden 'Indianern': Einblicke in ein aktuelles Forschungsprojekt - Beatrix Ihde (Bonn)
In dem Forschungsprojekt „Mensch-Ding-Verflechtungen in indigenen Gesellschaften“ (Finanzierung durch das BMBF) werden Objekte der materiellen Kultur zusammen mit Film- und Fotodokumenten sowie oralen Traditionen untersucht, um transkulturelle Wechselwirkungen zwischen Dingen und Menschen sowie indigenen und europäischen Gesellschaften in einer historischen Perspektive herauszuarbeiten. Die Angehörigen der Apalai-Wayana und der Tiriyó leben heute in einem transnationalen Raum, der von den Staatsgrenzen von Brasilien, Surinam und Französisch Guyana durchzogen wird; ihre Biographien sind durch ständige Grenzüberschreitungen geprägt. Die transkulturellen Austauschbeziehungen innerhalb indigener sowie zwischen indigenen und europäischen Gesellschaften können aus drei Perspektiven analysiert werden: a) aus der Perspektive persönlicher Beziehungen, vor allem der Sammler, die in den Guayanas unterwegs waren (z.B. Manfred Rauschert, der für die Bonner Altamerika-Sammlung gesammelt hat), b) aus der Perspektive der Kontakte zwischen den Apalai-Wayana und den Tiriyó, vor allem durch exo-linguale Heiratsbeziehungen, die sich in der materiellen Kultur widerspiegeln und c) aus der Perspektive der christlichen Mission (katholisch und protestantisch), die stark in die indigenen Gesellschaften und ihre Kultur eingreifen. In dem Vortrag werden Zugangsweisen und Zwischenergebnisse eines Forschungsprojekts präsentiert, das durch kollaborative Methoden charakterisiert ist, die in kontinuierliche Arbeitskontakten mit den indigenen Gemeinschaften, gegenseitigen Besuchen und Forschungsaufenthalte an internationalen Institutionen (Museen, Universitäten, Archiven) entwickelt und vertieft werden.
Der Vortrag musste leider abgesagt werden!