Ringvorlesung Lateinamerika: SoSe 2014
Seit vielen Jahren veranstalten das Zentrum Lateinamerika (CLAC) und der Arbeitskreis Spanien-Portugal-Lateinamerika (ASPLA) eine interdisziplinäre Ringvorlesung zu kultur-, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Themen mit Lateinamerikabezug. Die Vortragsreihe richtet sich an Studierende aller Fakultäten der Universität zu Köln, an GasthörerInnen, LehrerInnen und SchülerInnen sowie die interessierte Öffentlichkeit und umfasst Beiträge herausragender nationaler und internationaler ExpertInnen verschiedener Fachbereiche.
Lebensraum Stadt
Lateinamerika war und ist einer der am stärksten urbanisierten Regionen der Welt. Im Jahre 2010 lebten knapp 80% der BewohnerInnen Lateinamerikas in Städten. Als Folge dieser starken Urbanisierung werden die Städte einerseits zunehmend zu Orten wachsender sozialer Ungleichheiten und zu Brennpunkten verschiedenartiger Konflikte, andererseits zu Experimentierflächen neuer innovativer Formen von Stadtentwicklung, in die sich auch verstärkt städtische BewohnerInnen durch ihre aktive Teilhabe an der Organisation des urbanen Alltags einbringen.
Als Orte des Aufeinandertreffens zahlreicher Lebensrealitäten sind die lateinamerikanischen Städte somit Spiegel unterschiedlicher Facetten der Gesellschaft. Dieser Thematik widmet sich die Ringvorlesung Lateinamerika in dem Sommersemester 2014 unter dem Titel „Lebensraum Stadt“. Gegenwärtige Tendenzen und Entwicklungen der Urbanisierung und der Organisation urbaner Lebenswelten sollen mit sozialwissenschaftlichen, historischen, geographischen, literatur- und sprachwissenschaftlichen Ansätzen beleuchtet werden. Aufbauend auf einer Einführung aus historischer und theoretischer Perspektive auf urbane Räume und Verstädterungsprozesse in Lateinamerika, betrachtet die Vorlesung exemplarisch einige ausgewählte Aspekte rund um das Thema Lebensraum Stadt.
Neoliberale Stadtplanung und ihre Auswirkungen wie räumliche- und soziale Segregationsprozesse (Gated communities, Gentrifizierungstendenzen etc.) sollen ebenso behandelt werden wie das in Lateinamerika immer mehr an Relevanz gewinnende Phänomen der Informalität und der politischen und sozialen Selbstorganisation.
Abschließend soll ein Blick auf Interventionen in den urbanen Raum am Beispiel städtischer sozialer Bewegungen geworfen und Gestaltungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums skizziert werden.
Termine im Sommersemester 2014
Die Ringvorlesung Lateinamerika findet jeweils donnerstags von 17:45-19:15 in Raum S25 im Seminargebäude statt.
17.04.2014 | Von der "gran aldea" zur Metropole. Stadtgeschichte in Lateinamerika | Barbara Potthast, Köln |
24.04.2014 | Aktuelle Prozesse und Konflikte der Stadtentwicklung in Lateinamerika | Rainer Wehrhahn, Kiel |
01.05.2014 | Tag der Arbeit |
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08.05.2014 | Lo urbano _ das Städtische aus lateinamerikanischer Perspektive | Anne Huffschmid, Berlin |
15.05.2014 | Victoria Torres, Köln | |
22.05.2014 | Andreas Hofer, Wien | |
29.05.2014 | Christi Himmelfahrt |
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05.06.2014 | Stadtraum und Wandflächen – Kunst und politische Aushandlungsorte in Lima | Karoline Noack, Bonn |
12.06.2014 | Pfingstferien |
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19.06.2014 | Fronleichnam |
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26.06.2014 | Barbara Degenhart, Bayreuth | |
03.07.2014 | Im Griff der Festivalisierung? Stadtentwicklung und Stadtpolitik in Brasilien | Martin Coy, Innsbruck |
10.07.2014 | Segregation und Integration in Santiago de Chile zwischen Tradition und Umbruch | Juliane Welz, Leipzig |
17.07.2014 | Eberhard Rothfuß, Bayreuth |
Aktuelle Prozesse und Konflikte der Stadtentwicklung in Lateinamerika
24.04.2014 (Rainer Wehrhahn, Kiel)
Nachdem lateinamerikanische Städte in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts durch massive Bevölkerungszuwächse gekennzeichnet waren und sich mehrere Megastädte und global city regions herausgebildet haben, ist diese Phase der Hyperurbanisierung und der enormen Ausdehnung von informellen Siedlungen heute weitgehend abgeschlossen. Aktuelle Debatten der Stadtforschung thematisieren die Lebensbedingungen der vielen ausgeschlossenen Menschen, die nach wie vor unter prekären Wohn- und Arbeitsbedingungen und ohne Rechtssicherheit leben unter global wirksamen Vorzeichen. Allerdings verfolgen auch lokale Regierungen in zahlreichen Ländern vielfach eine neoliberale Stadtpolitik, die der wirtschaftlichen Entwicklung höchste Priorität einräumt. Globalisierungsprozesse verstärken bzw. unterstützen diese Politiken, so dass trotz wachsenden durchschnittlichen Wohlstandes in den meisten Ländern ärmere Bevölkerungsgruppen und weite Teile der Mittelschicht nicht angemessen partizipieren können und die Stadt letztlich zum Spielball der Interessen weniger Akteure wird. Abriss mehr oder weniger alter Wohngebiete und Vertreibung innerstädtischer Bewohner stehen neuen glitzernden Bürotürmen und Wohnenklaven gegenüber, ein Prozess, der keineswegs auf die großen Metropolen beschränkt ist. Im Vortrag werden die aktuellen Prozesse, Akteure und Konflikte der Stadtentwicklung vor dem Hintergrund einer Mehrebenenanalyse beleuchtet und neue Entwicklungen exemplarisch anhand von städtebaulichen Interventionen und sicherheitspolitisch motivierten sozialräumlichen Transformationen aufgezeigt.
Lo urbano_das Städtische aus lateinamerikanischer Perspektive
08.05.2014 (Anne Huffschmid, Berlin)
Lateinamerikanische Megastädte sind seit Langem beliebte Forschungsfelder der internationalen Metropolenforschung. Kaum bekannt ist hingegen in der europäischen und angelsächsischen Welt, wie in Lateinamerika selbst städtische Entwicklungen beforscht und reflektiert werden. Der Vortrag stellt, auf Grundlage des von A. Huffschmid (mit K. Wildner) herausgegebenen Bandes "Stadtforschung aus Lateinamerika" (transcript 2013) Positionen und Konzepte lateinamerikanischer Anthropologinnen, Urbanisten oder Geographinnen vor. Erkennbar werden eigenständige Zugänge zu Themenfeldern wie Öffentlichkeit und Territorialität, Mobilität und Imaginarios, die auch über Lateinamerika hinaus für das Verständnis urbaner Entwicklungen und Kulturen von Interesse sind.
Tras los muros en vez de tras las rejas: los feminicidios en los barrios cerrados argentinos y sus representaciones literarias
15.05.2014 (Victoria Torres, Köln)
Como es bien sabido, la polarización social se incrementó en la Argentina en la década del 90; las medidas derivadas de la implementación del Estado neoliberal arrojaron a vastos sectores de la población hacia los márgenes sociales causando que en las cartografias de las grandes ciudades se hicieran cada vez visibles los grupos habitacionales precarios conocidos como «villas miseria»; como correlato, las clases beneficiadas con el modelo, los «ganadores», para utilizar la terminología de Maristella Svampa, buscaron resguardarse de los peligros que, a su entender, provenían principalmente de esta expansión de la pobreza, transladándose a «barrios privados» o «countries». Estos espacios amurallados, de ingreso restringido, parecen aunar los «beneficios» de las ciudades más modernas (residencias suntuosas, educación privilegiada, centros de salud de excelencia, shoppings y las mejores ofertas de deportes y recreación) y los de los pueblos campestres con su vida verde, sana, tranquila y, por sobre todo, segura. Sin embargo, fue en estos escenarios en donde tuvieron lugar algunos de los feminicidios más resonados de los últimos tiempos. Después de dar un par de detalles referidos a estos lugares tan particulares, me concentraré en las representaciones de los barrios privados dadas en algunas obras literarias recientes, poniendo especial atención a la forma en la que los diferentes autores representan los asesinatos de las mujeres y los cruces entre los discursos mediáticos y la ficción narrativa, entramado desde donde se objeta con firmeza la impunidad otorgada por la justicia a los ejecutores.
Casa • Barrio • Metropolis. Aktuelle Tendenzen und Strategien zu informellen Urbanisierungsprozessen in Lateinamerika
22.05.2014 (Andreas Hofer, Wien)
Die Rasanz globaler Urbanisierungsprozesse provoziert auch am lateinamerikanischen Kontinent krisenanfällige Rahmenbedingungen für die Gestaltung von urbanen Lebensräumen. Der Anspruch, Stadtentwicklung durch gesetzliche Regulative zu beeinflussen, steht dazu im diametralen Gegensatz. Die Urbanisierung hält unvermindert an, urbane Entwicklung findet statt: formell - informell, geplant - ungeplant oder eben irgendwie dazwischen. In diesem Kontext stehen besonders in den informellen Stadtquartieren Handlungs- und Steuerungsmechanismen zur Beeinflussung dieser Entwicklungen zur Diskussion. Welche Ziele werden formuliert, welche Taktiken angewandt und wie werden geschaffene Realitäten verändert? Eine Diagnose mit Praxisberichten.
Stadtraum und Wandflächen – Kunst und politische Aushandlungsorte in Lima
05.06.2014 (Karoline Noack, Bonn)
Der öffentliche Raum Limas (Peru) ist ein umkämpfter Raum. Für soziale und politische Initiativen, die mit den Mitteln der Kunst arbeiten, wird es nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Privatisierungen öffentlichen Raums immer schwerer, jenseits des Museums einen Ort für ihre Arbeit zu finden. Auf der anderen Seite ist es die Stadtregierung, die für sich in Anspruch nimmt, die "subalternen" Stimmen zu repräsentieren. In diesem Spannungsfeld beschäftigt sich der Vortrag mit dem Gegenkultur-Zentrum "El Averno" in Lima.
Urbane Landwirtschaft in Lateinamerika: Multifunktionale Stadtentwicklung - Lebensraum mit Möglichkeiten?
26.06.2014 (Barbara Degenhart, Bayreuth)
Lateinamerika, ein Kontinent geprägt durch fortschreitende Urbanisierungsprozesse, verzeichnet ein zunehmendes Interesse an städtischen Entwicklungen und urbanen Lebensformen. Als Konsequenz rückt der bisher noch im Abseits der Debatte stehende Aspekt der ausreichenden Nahrungsmittelversorgung der städtischen Bevölkerung in den Fokus und lässt sich in Verbindung mit einer lebenswerten Gestaltung urbaner Räume im 21. Jahrhundert bringen. Einen multifunktionalen Beitrag zum Wirtschafts-, Sozial- und Ökosystem sowie dem städtischen Erscheinungsbild leistet dabei urbane Landwirtschaft. Ergänzend dazu sind urbane Gärten ein integraler Bestandteil städtischen Lebens, die unerlässlich für das Funktionieren des vergangenen, gegenwärtigen, aber auch zukünftigen „Lebensraum Stadt“ sind. Ziel des Vortrages ist es, die Multifunktionalität und Einflüsse urbaner Landwirtschaft zur lateinamerikanischen Stadtentwicklung aufzuzeigen und anhand von Beispielen gegenwärtige Tendenzen und Entwicklungen des Phänomens zu verdeutlichen.
Im Griff der Festivalisierung? Stadtentwicklung und Stadtpolitik in Brasilien
03.07.2014 (Martin Coy, Innsbruck)
In Kooperation mit der Gesellschaft für Erdkunde der Uni Köln; Beginn: 18.30 Uhr, Ort: Geo-/Bio-Hörsaal, Zülpicher Straße 49a
Im Juni und Juli 2014 werden 12 brasilianische Städte als Austragungsorte der Fußballweltmeisterschaft im Ausnahmezustand sein und im Fokus des Weltinteresses stehen. Die tief greifenden sozialen Spaltungen und räumlichen Fragmentierungen, die die brasilianischen Städte immer wieder, zuletzt im Juni 2013, zu Brennpunkten der gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzung machen, wird das Megaereignis allerdings nur für kurze Zeit in den Hintergrund drängen können. Der Vortrag nimmt den Megaevent zum Anlass, um an Beispielen aus verschiedenen Städten die Hintergründe der Stadtentwicklung, die stadtpolitischen Rahmenbedingungen sowie die Trends der Stadterneuerung unter die Lupe zu nehmen. Dabei soll eine Antwort auf die Frage gefunden werden, ob die demnächst und in den kommenden Jahren anstehenden Großereignisse, also die „Festivalisierung“ der Stadt, einen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu leisten in der Lage sind.
Segregation und Integration in Santiago de Chile zwischen Tradition und Umbruch - Zu den Chancen und Grenzen von räumlicher Nähe für den Abbau von sozialer Distanz
10.07.2014 (Juliane Welz, Leipzig)
Seit dem 19. Jahrhundert prägen Prozesse der Segregation und Integration die soziale, bauliche und funktionale Struktur der Stadt Santiago de Chile. Begleitet von ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozessen hat sich in jüngster Vergangenheit die großräumige Bipolarität der Stadt zunehmend hin zu einem verstärkten kleinräumigen Nebeneinander von zuvor isoliert und distanziert lebenden Bevölkerungsgruppen verändert. Diese Entwicklung führt zu einer verstärkten akademischen Debatte um die Chancen und Grenzen räumlicher Nähe und sozialer Distanz unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen im städtischen Raum unter Beachtung des lateinamerikanischen Kontexts.
Der Vortrag widmet sich der Diskussion um Segregation und Integration im lateinamerikanischen Kontext. Es wird eine Einführung in den allgemeinen theoretischen Diskurs um Segregation und Integration gegeben und traditionelle vs. neue Segregationsmuster anhand der Fallstudie Santiago de Chile präsentiert. Aus verschiedenen Blickpunkten heraus wird analysiert, welche Faktoren zu innerstädtischen Segregationsprozessen beitragen und welche Chancen und Grenzen sozial durchmischte Stadtgebiete für den Abbau von sozialer Distanz bieten.
Urbane Ungleichheit der peripheren Moderne Brasiliens - Alltagsleben zwischen Exklusion und Selbstorganisation
17.07.2014 (Eberhard Rothfuß, Bayreuth)
Die Gesellschaften Lateinamerikas weisen allesamt hohe Werte sozialer Ungleichheit auf, die sich in einem hohen Gini-Index insbesondere auch in urbanen Räumen exprimieren. Der Vortrag zeichnet den Prozess Peripherer Modernisierung (Souza 2006) Lateinamerikas am Beispiel Brasiliens nach und zeigt den zugrunde liegenden kolonialhistorischen Entstehungszusammenhang sowie die nachkoloniale (intransparente) Reproduktion sozialer Ungleichheit auf. Daran schließt sich ein empirisches Fallbeispiel einer Favela in Salvador da Bahia an, worin das urbane Alltagsleben der von Missachtung, Anerkennungsverweigerung und Stigmatisierung betroffenen BewohnerInnen vorgestellt und deren z.T. widerständige Praktiken der Autogestion (Selbstorganisation) aufgezeigt werden.