Ringvorlesung Lateinamerika Wintersemester 2019/2020
Seit vielen Jahren veranstalten das Zentrum Lateinamerika (CLAC) und der Arbeitskreis Spanien-Portugal-Lateinamerika (ASPLA) eine interdisziplinäre Ringvorlesung zu kultur-, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Themen mit Lateinamerikabezug. Die Vortragsreihe richtet sich an Studierende aller Fakultäten der Universität zu Köln, an Gasthörer*innen, Lehrer*innen und Schüler*innen sowie die interessierte Öffentlichkeit und umfasst Beiträge herausragender nationaler und internationaler Expert*innen verschiedener Fachbereiche.
Globalgeschichte der Karibik: Repräsentationen des „Zusammenlebens“ von der Sklaverei bis heute
Der Blick auf die kaleidoskopartige Welt der Karibik und Zentralamerikas seit dem 16. Jh. erlaubt spannende Einsichten in die frühen Prozesse der kulturellen Globalisierung. Rassistische Diskurse, etablierte Modelle „weißer“ Abolitionisten, Erinnerungspolitiken und die Wahrnehmung und Tabuisierung der haitianischen Revolution verbinden sich zu einem Amalgam, das unser gängiges Konzept einer genuin westlichen Moderne in Frage stellt. Zugleich wird mit dieser Langzeitperspektive die Reichweite post/kolonialer Theoriebildung erheblich ausgedehnt.
Die Ringvorlesung beschäftigt sich mit der historischen Entwicklung der karibischen Kolonien und Zentralamerikas. Zudem wirft sie einen Blick auf die von dort stammenden Literaturen und andere kulturelle Ausdrucksformen, die sich erst in komplexen dynamischen Transfer- und Zirkulationsprozessen formen – sowohl inner- und circum-karibisch, als auch im Austausch mit Afrika, den beiden Amerikas, Asien und nicht zuletzt natürlich mit Europa.
Migration, Zirkulation und Vernetzung zwischen verschiedensten geographischen Räumen, aber auch Orientierungs- und Heimatlosigkeit gelten als charakteristisch für unsere heutigen Gesellschaften. Diese Phänomene der Deterritorialisierung lassen sich gerade in der karibischen Inselwelt und in Zentralamerika schon früh beobachten, wo nicht nur Piraten und Sklavenhändler zwischen Imperien und Kontinenten hin- und hersegeln, nicht nur Schriftsteller von einem Exil ins nächste fliehen, sondern auch analphabetische Packerinnen als Nachrichtenüberbringer zwischen den Welten fungieren. Gerade das macht die Karibik und Zentralamerika zu einem faszinierenden Ausgangspunkt für die Untersuchung der (kulturellen) Bruchstellen kolonialer Systeme, die letztlich in kulturelle (und politische) Emanzipation münden.
Termine im Wintersemester 2019/2020
Die Ringvorlesung findet donnerstags von 16.00 bis 17.30 Uhr in S 11 (Seminargebäude) statt.
Terminabweichung: Der reguläre Termin zur Ringvorlesung vom 17.10.2019 ändert sich einmalig auf Dienstag, den 15.10.2019 von 16.00 bis 17.30 Uhr, Hörsaal XXV (WiSo-Gebäude)
Programm
Einführung - Barbara Potthast & Gesine Müller (Köln)
Leonardo Padura (Havanna)
"Rituelle Tätowierungen als Repräsentationen und Praktiken von Transformation und Transfer in indo-karibischen Gemeinschaften" - Sinah Kloß (Köln)
In den kulturell vielfältigen Gesellschaften von Guyana und Suriname sind verschiedene Arten und Stile von Tattoos sichtbar. Eine besondere Art der Tätowierung findet sich bei älteren Frauen wieder, die sich als „East Indian“ bzw. „Hindoestaani“ und damit als Nachkommen indischer Vertragsarbeiter*innen identifizieren. Diese waren zwischen 1838 und den 1920er Jahren nach Abschaffung der Sklaverei zur Arbeit auf Plantagen in diese britischen und niederländischen Kolonien gebracht worden. Die rituellen Tätowierungen, genannt „Godna“, wurden vor oder nach der Hochzeit einer hinduistischen Frau gestochen, um ihren Familienstand, ihren Übergang vom Mädchen zur Frau oder ihre „Taufe“ bzw. Reinigung durch einen hinduistischen Pandit (Priester) zu markieren. Motive bestanden überwiegend aus den Initialen des Ehemannes, dem Namen einer Gottheit oder bestimmten Symbolen wie der Sonne oder dem Om.
Dieser ethnologische Vortrag konzentriert sich auf die Geschichte, Bilder und Praktiken der rituellen Tätowierung in guyanischen und surinamischen Gemeinschaften aus historischer und zeitgenössischer Perspektive. Als eine Form des sensorischen und verkörperten „Life Writings“ und der „Oral History“ sowie unter Berücksichtigung von Tattoo-Narrativen und -Praktiken werden Godna als implizite Aspekte der Geschlechterkonstruktion, der Körperpolitik und der Verhandlung von Abhängigkeiten im Hinblick auf Patriarchat, Kolonialismus und Religion diskutiert. Zudem untersucht der Vortrag, inwiefern Godna die Dynamiken der eng vernetzten Grenzregion von Guyana und Suriname repräsentieren, welche bereits zur Kolonialzeit ein verflochtener, jedoch auch umkämpfter Grenzraum zwischen britischen und niederländischen Kolonialmächten darstellte.
“'El Caribe': La re-creación mítica de un territorio" - Ricardo Adrián Vergara Durán (Wangen im Allgäu)
El descubrimiento de América implicó no solo geográficamente la ampliación del mundo conocido por la Europa del siglo XV, sino también una transformación política, económica, cultural, social y religiosa del continente europeo. Pero además, con el descubrimiento de América se creó también a “El Caribe”, un espacio geográfico globalizado, con una historia y una identidad muy particular.
Entender “El Caribe” actual implica no solo estudiar su historia, sino también reconocer sus transformaciones y proyecciones socioculturales (como por ejemplo El Carnaval de Barranquilla), que se insertan en el espacio-tiempo como un amalgama vivo.
"From the margins to the center: retracing an intellectual history of global (colonial) modernity from the planatation outwards" - Jenna Marshall (Kassel)
This lecture endeavours to shift the geographies of reason to the Global South, engaging with epistemologies that reside outside of the dominant Western capitalist system (Grosfoguel, 2009) by charting Caribbean history and culture from the plantation outward, confronting the politics of erasure and trivialisation of the region (Trouillot, 1995; Scott, 2004). It argues that the plantation allows modernist assumptions on nationalism and capitalism to take into consideration the ways in which these constructs are conceived of and operationalised from a particular space, the type of politics that emerges, and its significance to historical perspectives on global (colonial) modernity. Thus, the trajectory of the region from colonial outposts of the British empire to its more recent mid-20th century postcolonial nationalist imaginaries onwards are problematise as a battle for cognitive space between the traditionally-marginalized and those who hold power. The intellectual history of the region then becomes concerned not only with the materiality economic rationalities of the modern global capitalist system but also its immateriality expressed through issues of language, identity, and belonging.
Two intellectual traditions are therefore explored in this lecture that exemplify the attempt to construct an indigenous Caribbean episteme as a means to challenge a Western epistemological hegemony: the New World Group and Caribbean Artists Movement. Both explore the plantation as a site imbued with techniques of domination inclusive of perpetual resource extraction alongside iterations of fragmented subjectivities. By exploring these two intellectual traditions, this lecture concludes that these techniques of domination detailed within these traditions coalesce into creolising epistemologies that can be considered as constitutive features of global (colonial) modernity rather than marginal processes.
"Kuba – DER musikalische Schmelztiegel der Karibik" - Torsten Eßer (Köln)
Die Karibik als freiwilliger und erzwungener „melting pot“ der Kulturen, spielt in der globalen Musiklandschaft eine große Rolle. Kuba hat darin aufgrund seiner Größe, seiner frühen Kolonisation sowie als Drehkreuz des spanischen Lateinamerikahandels seit dem 19. Jh. nochmal eine besondere
Bedeutung. Darum dreht sich der Vortrag, der anhand vieler Musikbeispiele die schillernde Musikgeschichte der Insel vom punto bis zum cubatón vorstellt.
“'Y tu abuela, ¿dónde está?': Bilder schwarzer Menschen in Kuba (20. bis 21. Jh.)" - Christoph Singler (Hannover)
Die Darstellung schwarzer Menschen ist ein zentrales Thema der Geschichte des Black Atlantik. Repräsentation - ob in Literatur, Malerei, Skulptur, Photographie oder filmischen Medien - zieht die Frage nach der Stellung der abgebildeten Person im sozialen Umfeld, aber auch nach dem gesellschaftlichen Imaginären - Vorstellungen, Mythen, Stereotypen, usw. - das mit ihr verbunden ist. Einiges ist in den letzten Jahren im langsam sich globalisierenden Norden veröffentlicht worden, im Süden arbeiten die Betroffenen an neuen Formen der Repräsentation.
Der Vortrag soll einen ersten Abriß dieser Geschichte in einem Land geben, dessen koloniale Vergangenheit kaum mehr als ein Jahrhundert zurückliegt, und in dem selbst im familiären Rahmen noch Erinnerungen an die Sklaverei vorhanden sind.
"Persistir a pesar de la esclavitud. Cimarronaje y la historia del poblamiento en el caribe colonial" - Johana Caterina Mantilla (Köln)
A inicios de los años ochenta el antropólogo Richard Price afirmó que el potencial de las sociedades cimarronas en las Américas había radicado en su capacidad de invención y flexibilidad. En ese sentido, África debía ser tomada como un articulador más que como un lugar para la identificación de “modelos intactos” empleados por los cimarrones en el nuevo continente (1981). Al mismo tiempo, otra antropóloga Nina S. de Friedemann proponía “las huellas de africanía” como concepto pensar el vínculo histórico, reprimido de manera incesante por las autoridades coloniales (1979). Este debate en torno a la persistencia o no de tradiciones de pensamiento y prácticas de origen africano en las Américas y de sus implicaciones para la configuración de las identidades atraviesa los estudios históricos, antropológicos y arqueológicos que sobre la diáspora africana versan.
Sin la pretensión de zanjar un debate, en esta presentación propongo un viaje a los confines de la vida en la montaña en tres puntos del caribe colonial: República Dominicana, Jamaica y Colombia. La materialidad que acompaña el surgimiento de manieles, maroon settlements o palenques nos indica que más allá de la restricción, los africanos y su descendencia tomaron acción directa en su devenir, transformando el paisaje y dejando huella en el poblamiento del caribe. Estos espacios emergen como parte de las cicatrices que atraviesan el paisaje del proyecto colonial. No empero, nos permiten reflexionar acerca de la reinvención y criollización como proceso y por esa vía, reflexionar acerca del lugar que le hemos dado a África en el debate colonial de las Américas.
“'Quítate el racismo': Afrokubanischer feministischer Hip-Hop als dekoloniale und intersektionale Wissensproduktion" - Julia Roth (Bielefeld)
In der sog. periodo especial in den frühen 2000er Jahre entstand auf Kuba eine rege aktivistische anti-rassistische Hip-Hop Szene. Insbesondere die Protagonistinnen dieser Szene waren und sind zentral für den kubanischen Afro-Feminismus, der sich zeitgleich formierte. Künstlerinnen wie Magia López (und ihre Band Obsesión) oder das inzwischen in Texas lebende queerfeministische Duo Las Krudas sind weiterhin wichtige Stimmen in diesem Diskurs. Der Vortrag widmet sich anhand von Beispielen aus Song Lyrics und Videos ausgewählter Beispiele der Frage, wie Hip Hopperinnen “Karibischsein” als transnational konstruieren, auf welche Weise sie auf das transkulturelle und koloniale Erbe verweisen, welche Kontinuitäten in Bezug auf aktuelle Migrationsregime und Genderhierarchien sie nachzeichnen und welche Rolle Hip Hop als “diasporischer lingua franca” (El-Tayeb) in diesem Zusammenhang zukommt. Inzwischen gibt es auch in vielen anderen Teilen der Karibik und Lateinamerika feministische Aktivistinnen, die das Mittel des Hip Hop wählen. Der Vortrag liest diese Praktiken als intersektionale und dekoloniale Wissensproduktion, die auf der Grundalge der langen Erfahrung von Migration und Transkulturalität im Sinne einer “Creolizing Europe” (Boatcă) wegweisend für europäische Kontexte sein kann.
"Transatlantischen Repräsentationen der Haitianischen Revolution" - Anja Bandau (Hannover)
Die Ereignisse der Haitianischen Revolution (1791-1804) wurden in den letzten beiden Jahrzehnten in der Geschichtswissenschaft, den Postcolonial Studies und zunehmend auch in der Literaturwissenschaft verstärkt untersucht: Mit der Neubewertung ihres Stellenwerts für eine vernetzte Globalgeschichte ging die Forderung nach einem verstärkten Fokus auf die Perspektiven der Versklavten einher.
Diese Präsentation untersucht eine der beliebtesten Darstellungsformen, das Theater, und stellt die Frage, wie die Revolution in Saint-Domingue durch die Genres Drama, Melodrama, sowie Modi des Sentimentalen und des Gothic für das metropolitane Publikum inszeniert wird. Die den Ereignissen zeitgenössischen Repräsentationen diskutieren die Möglichkeiten eines Zusammenlebens nach dem radikalen Bruch anhand von exemplarischen Figuren und Konstellationen. Inspiriert von den Ideen und Tropen der Aufklärung wird das Populärtheater zu einer wichtigen Form der Repräsentation, indem es revolutionäre Ideen und aktuelle Nachrichten über die Ereignisse in Szene setzt und gleichzeitig das Bild speist, das eine europäische Öffentlichkeit von den Ereignissen hat.
"'Matter & Space!' – Die Geschichte und Entwicklung der Reggae-Kultur" - Michael Rappe (Köln)
Am 29. November 2018 erklärte die UNESCO die Reggae-Kultur Jamaikas zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Aber wie andere schützenswerte Kulturgüter auch, ist Reggae längst nicht mehr nur auf den spezifischen Ort seiner Entstehung beschränkt. Durch Migration und eine weltweit agierende Musikindustrie gehört dieses Genre zu einem der erfolgreichsten globalen Popkulturen, in und mit der sich Menschen adäquat auszudrücken vermögen. In dem als Soundlecture konzipierten Vortrag soll die Geschichte und Entwicklung der unterschiedlichen Substile wie Ska, Rocksteady, Roots Reggae, Dub und Dancehall als eine gleichermaßen lokal verortete wie global vernetzte Musikkultur betrachtet werden. Dabei werden frühere Stile Jamaikas wie Calypso und Mento genauso Erwähnung finden, wie die unterschiedlichen Verbindungen zu anderen afrokaribischen Musikkulturen des Black Atlantic.
"Die globalpolitische Relevanz karibischer Forderungen nach Reparationen für die Sklaverei" - Claudia Rauhut (Berlin)
Der Vortrag gibt einen Überblick über aktuelle Reparationsforderungen für die Sklaverei innerhalb der CARICOM Reparations Commission, einem Bündnis zivilgesellschaftlicher und staatlicher Akteur*innen, überwiegend aus der anglophonen Karibik. In einem Zehn-Punkte-Plan fordern sie von europäischen Regierungen Wiedergutmachung für historisches Unrecht und die langfristigen Folgen der Sklaverei, die bis heute karibische Gesellschaften belasten. Nach einer Einführung in die zentrale Rolle der Karibik für global-historische Entwicklungen ausgehend von transatlantischen Versklavungshandel und Plantagensklavereien, werden am Beispiel von Jamaika, basierend auf Feldforschungen und qualitativen Interviews mit Aktivist*innen deren Motivationen, Narrative und Formen der politischen Mobilisierung aufgezeigt. Es werden Diskussionen über die Bedeutung der Reparationsforderungen nicht nur für die karibische Region, sondern insbesondere für eine notwendige Auseinandersetzung mit Sklaverei und Kolonialismus in Europa im Sinne verwobener und geteilter Geschichten angeregt.
"Transatlantische Vernetzungen, Wissenszirkulationen und soziokulturelle Praktiken: Süd-Süd-Kooperation zwischen Kuba und Angola" - Christine Hatzky (Hannover)
Jenseits der politischen und militärischen Implikationen der kubanischen Süd-Süd-Kooperation mit dem (post)kolonialen Angola (1975-1991), schuf die Präsenz von Hunderttausenden von Kubanern institutionelle, soziale und kulturelle Vernetzungen. Sie führte zu Zirkulationen von Wissen und dem Austausch soziokultureller Praktiken, die ohne die jahrhundertelange Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels, die die kubanische Gesellschaft und Kultur mit der angolanischen verbanden, undenkbar gewesen wären. Am Beispiel der Kooperation im Bildungsbereich werde ich Interaktionen, Kontaktzonen und Begegnungsorte, gegenseitige Wahrnehmungen aber auch Dissonanzen dieser gemeinsam-geteilten transatlantischen Geschichte beleuchten.
"Macondo als Erinnerungsort und Medium des kollektiven Gedächtnisses der kolumbianischen Karibik" - Florian Homann (Köln)
Die Erzählung im Roman Hundert Jahre Einsamkeit (Cien años de soledad) spiegelt neben individuellen Erinnerungen das kollektive Gedächtnis des Kulturraums der kolumbianischen Karibik wider, welches Gabriel García Márquez in seiner Kindheit besonders durch Erzählungen seiner Großeltern erfahren hat. Das Werk fiktionalisiert zahlreiche historische Ereignisse, oft auf lokaler Ebene, und kann nach dem von Astrid Erll entworfenen Konzept als Gedächtnisroman gelesen werden, weshalb sich für eine tiefergehende Analyse die Theorien über das kollektive Gedächtnis und die Erinnerungskulturen anbieten. So bringen eine Anwendung der Konzepte von Jan und Aleida Assmann über das kommunikative und kulturelle Gedächtnis -wobei sich die Erzählung des Romans im Übergang von der einen zur anderen Dimension befindet-, der Entwürfe über Funktionsgedächtnis und Speichergedächtnis sowie der verschiedenen Formen des Vergessens aufschlussreiche Erkenntnisse über die Aufarbeitung der Vergangenheit in diesem Erzählwerk. Eine narratologische Untersuchung dieses Erzähltextes zeigt zudem auf, dass mehrheitlich der monumentale Modus der Gedächtnisrhetorik angewandt wird, bei welchem der literarische Text die (wieder-) erlebte Erfahrung in kulturellen Sinn verwandelt. Doch auch der erfahrungshaftige Modus als literarisches Vergangenheitsregister kommt zur Verwendung, um besonders die Verweise auf das kommunikative Gedächtnis auszudrücken. Diese Tendenzen spiegeln sich auch auf Ebene der Figuren im Roman wider, wobei Melquíades und Úrsula als Vertreter der zwei Typen von Gedächtnis angesehen werden können. Während ersterer eher dem monumentalen Register in Verbindung mit der Ebene des kulturellen Gedächtnisses zuzuordnen ist, repräsentiert die Stammesmutter eine auf dem kommunikativen Gedächtnis beruhende Erfahrungshaftigkeit. Bezüglich der Beziehung von Erinnerung und kollektiver Identitätsbildung bedeutet dies konkret, dass der Roman nicht nur als Allegorie der Geschichte Kolumbiens bzw. Lateinamerikas gelesen sowie die Einsamkeit als Sinnbild für Isolierung und Selbstentfremdung des Kontinents interpretiert werden kann, sondern auch, dass durch die Erzählungen im Text dem Vergessen einer kollektiven Identität -durch fehlendes Erinnern einer gemeinsamen Vergangenheit provoziert- entgegengewirkt wird und das kollektive Gedächtnis, in seinem Übergang von der kommunikativen zur kulturellen Dimension, vor dem Verlust bewahrt wird.
"Sklavenschiffsköche, Ernährung und Diaspora im kubanischen Sklavenhandel der 'Second Slavery'“ - Melina Teubner (Bern)
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Kuba zu einem Zentrum der Sklaverei und des Sklavenschmuggels. Damit stand die Insel in einer Reihe mit anderen Regionen (Brasilien und dem Süden der USA) der „Second Slavery“, mit denen es bestens vernetzt war. Nicht nur Sklavenhändler, sondern vor allem auch ihre Besatzungen, führten sehr mobile Leben und zirkulierten zwischen den einzelnen Stationen und Zentren des Sklavenhandels. Der Vortrag beschäftigt sich mit der Lebensgeschichte des Sklavenschiffskochs Antonio Ferrer. Dieser war versklavt und nach Kuba gebracht worden. Nach vielen Jahren harter Arbeit erkaufte er sich seine Freiheit und heuerte als Koch auf einem Sklavenschiff an. Da das Schiff nach kurzer Zeit aufgebracht wurde , schilderte Antonio seine Geschichte vor einem Gericht. Über die Lebensgeschichte hinausgehend wird die Rolle von Ernährung für den Sklavenhandel, die ‚Zweite Sklaverei‘ und die Entstehung von Diasporaküchen beleuchtet.