Ringvorlesung Lateinamerika Wintersemester 2017/18
Seit vielen Jahren veranstalten das Zentrum Lateinamerika (CLAC) und der Arbeitskreis Spanien-Portugal-Lateinamerika (ASPLA) eine interdisziplinäre Ringvorlesung zu kultur-, politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Themen mit Lateinamerikabezug. Die Vortragsreihe richtet sich an Studierende aller Fakultäten der Universität zu Köln, an GasthörerInnen, LehrerInnen und SchülerInnen sowie die interessierte Öffentlichkeit und umfasst Beiträge herausragender nationaler und internationaler ExpertInnen verschiedener Fachbereiche.
Im Wintersemester 2017/18 findet die Ringvorlesung in Kooperation mit dem Global South Studies Center Cologne (GSSC) statt.
Sklaverei(en), Migrationen und soziale Revolutionen
Die Amerikas, vor allem die Karibik, Iberoamerika und seit dem 19. Jahrhundert die USA, waren die wichtigsten Schauplätze von Expansionen, Zwangsmigrationen (Sklavenhandel), großen Sklavereien, „freiwilliger“ Migration in Kolonialgebiete sowie antikolonialen Revolutionen. Die Ringvorlesung thematisiert den Zusammenhang zwischen Sklavereien sowie bonded labour, gezwungener und „freier“ Migration und Revolutionen aus (außer-) europäischen Perspektiven.
Globalgeschichte, auch die Globalgeschichte einzelner Areas (wie Lateinamerika) und Hemisphären (atlantisch/pazifisch), sind der neue common ground aller Historiographien. Sklaverei(en), vor allem aber die Geschichte und die life histories von Versklavten, sind Menschheitsgeschichte von „ganz unten“. Diese stellen im Sinne des GSSC-Forschungsansatzes „Global Labour“ die Bindung von Arbeitskraft und Dienstleistung sowie die Ausbeutung menschlicher Körper unter den Bedingungen des Kolonialismus dar. Außerdem repräsentieren sie unterschiedlichste Formen von (auch struktureller) Gewalt sowie Statusminderungen im Globalen Süden.
In den letzten Jahrzehnten haben sich in der Analyse dieser Themen im Wesentlichen Perspektiven des Postkolonialismus durchgesetzt. Neuere post-postkoloniale Perspektiven, die auch thematisiert werden sollen, fragen zusätzlich nach Materialität, Technologien sowie commodities (u.a. menschliche Körper im Sklavenhandel).
Die Ringvorlesung thematisiert zunächst Geschichte und Stellenwert von Sklaverei(en) mit Fokus auf die Geschichte der Versklavten (d.h. „Subalterne“) im Kontext der Geschichte der Menschheit. Sie konzentriert sich dann in einem zweiten Block auf die Geschichte der Neuzeit und der Atlantic Slavery, den Zwangsmigration zwischen Afrika, dem Atlantik (Europa) und den Amerikas. Im letzten Teil wird nach der Rolle von „freien“ Migrationen, Sklaverei(en) und Versklavten in den Revolutionen der Moderne (ca. 1500-1900) gefragt.
Termine im Wintersemester 2017/18
Die Ringvorlesung Lateinamerika findet jeweils donnerstags von 16.00-17.30 Uhr in S 58 (Philosophikum) statt.
Der erste Termin der Vorlesung ist der 19.10.2017 (zweite Vorlesungswoche).
Einführung: Eine Menschheitsgeschichte – von Sklavinnen „ohne Institution“ in der Prähistorie zu Versklavten „ohne Institution“ in der modernen Sklaverei von heute - Michael Zeuske (Köln)
(Einführung Teil 1 von 2)
Es handelt sich um 2 Vorlesungen zur Einführung in die Welt- und Globalgeschichte der Sklaverei. Unter Weltgeschichte verstehe ich vorwiegend den zeitlichen Aspekt der weltweiten, aber lokalen Verbreitung von Sklavereien in allen menschlichen Gruppen und Gesellschaften, archäologisch und historisch feststellbar ab etwa mittlerem Neolithikum (in seinen unterschiedlichen Ausprägungen weltweit) bis „hoy en día“, wie es auf Spanisch so treffend heißt. Wenn wir die Zeiten seit ca. 8000 vor unserer Zeitrechnung als Anfang von Sklaverei fixieren, heißt das nicht, dass es nicht schon vorher in steinzeitlichen Jägerpopulationen opportunistische Fälle von Sklaverei „ohne Institution“ gegeben hätte. In der Welt- und Globalgeschichte hat es mehrere Stufen oder große Epochen von Sklaverei gegeben, die in den Vorlesungen vorgestellt und analysiert werden – bis hin zur so genannten modern slavery in der Gegenwart.
Die koloniale Karibik: literarische Transferprozesse zwischen Sklaverei, Abolition und kolonialer Frage - Gesine Müller (Köln)
"Werden nicht in der Karibik des 19. Jahrhunderts Phänomene und Prozesse vorweggenommen, die uns heute erst bewußt werden?" Der Blick auf die kaleidoskopartige Welt der Karibik in jener Epoche erlaubt völlig neue Einsichten in die frühen Prozesse der kulturellen Globalisierung. Rassistische Diskurse, etablierte Modelle „weißer“ Abolitionisten, Erinnerungspolitiken und die bisher kaum wahrgenommene Rolle der haitianischen Revolution verbinden sich zu einem Amalgam, das unser gängiges Konzept einer genuin westlichen Moderne in Frage stellt. Zugleich wird mit dieser Langzeitperspektive die Reichweite post/kolonialer Theoriebildung erheblich ausgedehnt.
Der Vortrag beschäftigt sich mit den karibischen Kolonien Frankreichs und Spaniens und ihren Literaturen, die sich erst in komplexen dynamischen Transfer- und Zirkulationsprozessen formen – sowohl innerkaribisch, als auch im Austausch mit Afrika, den beiden Amerikas, Asien und nicht zuletzt natürlich mit Europa.
Migration, Zirkulation und Vernetzung zwischen verschiedensten geographischen Räumen, aber auch Orientierungs- und Heimatlosigkeit gelten als charakteristisch für unsere heutigen Gesellschaften. Diese Phänomene der Deterritorialisierung lassen sich gerade in der karibischen Inselwelt schon für das 19. Jh. beobachten, wo nicht nur Piraten und Sklavenhändler zwischen Imperien und Kontinenten hin- und hersegeln, nicht nur Schriftsteller von einem Exil ins nächste fliehen, sondern auch analphabetische Packerinnen als Nachrichtenüberbringer zwischen den Welten fungieren. Gerade das macht die Karibik des 19. Jahrhunderts zu einem faszinierenden Ausgangspunkt für die Untersuchung der (kulturellen) Bruchstellen kolonialer Systeme, die letztlich in kulturelle (und politische) Emanzipation münden.
Sklaverei(en) und Versklavte in Welt- und Globalgeschichte - Michael Zeuske (Köln)
(Einführung Teil 2 von 2)
Es handelt sich um 2 Vorlesungen zur Einführung in die Welt- und Globalgeschichte der Sklaverei. Unter Weltgeschichte verstehe ich vorwiegend den zeitlichen Aspekt der weltweiten, aber lokalen Verbreitung von Sklavereien in allen menschlichen Gruppen und Gesellschaften, archäologisch und historisch feststellbar ab etwa mittlerem Neolithikum (in seinen unterschiedlichen Ausprägungen weltweit) bis „hoy en día“, wie es auf Spanisch so treffend heißt. Wenn wir die Zeiten seit ca. 8000 vor unserer Zeitrechnung als Anfang von Sklaverei fixieren, heißt das nicht, dass es nicht schon vorher in steinzeitlichen Jägerpopulationen opportunistische Fälle von Sklaverei „ohne Institution“ gegeben hätte. In der Welt- und Globalgeschichte hat es mehrere Stufen oder große Epochen von Sklaverei gegeben, die in den Vorlesungen vorgestellt und analysiert werden – bis hin zur so genannten modern slavery in der Gegenwart.
Freiheit und Sklaverei: Heilserwartung bei den Cruzoob-Maya von Yukatan (Arbeitstitel) - Nikolai Grube (Bonn)
„Freiheit“ und „Sklaverei“ sind die beiden Metaphern, mit denen die Cruzoob-Maya von Yukatan die Veränderung ihrer Lebenswelt als Teil einer großen Erzählung von Krieg, Frieden und bevorstehender Apokalypse beschreiben. Die gegenwärtige Epoche der Freiheit ist in der Rhetorik der Anführer der Cruzoob eine Folge des Endes des sogenannten „Kastenkriegs“ auf der Halbinsel Yukatan, dem größten indianischen Aufstand gegen die Fremdherrschaft in Lateinamerika. In dem erst während des 20. Jahrhunderts beendeten Krieg zwischen Maya und Mexikanern haben sich die Cruzoob-Maya eine weitreichende Autonomie erkämpft. Sie wird jedoch bedroht durch eine immer größere Abhängigkeit von Lohnarbeit in den Touristenzentren an der Karibikküste, von immer stärkerer Präsenz des mexikanischen Staates und den stetig geringer werdenden Erträgen in der Landwirtschaft. Dieser Verlust der Unabhängigkeit wird in den oralen Traditionen als Beginn einer neuen Phase der Sklaverei gedeutet, die in einen apokalyptischen Krieg führen werde, der erst mit dem Erscheinen eines neuen, indigenen Messias enden werde. In dem Vortrag werde ich analysieren, wie die Cruzoob-Maya mit den Begriffen Freiheit und Sklaverei die Veränderungen ihrer Welt deuten und welche Rolle apokalyptische Heilserwartung im indigenen Alltag spielen.
Unfreiheit, abhängige Arbeit und Zwangsmigration im mittelalterlichen Europa - Undine Ott (Göttingen)
Der Begriff, den wir uns heute von der absoluten, naturrechtlich begründeten individuellen Freiheit als einem Menschenrecht machen, war den Bewohnern des mittelalterlichen Europa unbekannt. Alle Menschen in dieser Zeit waren von anderen Personen oder Institutionen in irgendeiner Form abhängig und mussten Dienste für sie leisten; im Gegenzug erhielten sie Schutz, Kleidung, Lebensmittel oder Ackerland. Dabei konnten die Rechte und Handlungsspielräume von Menschen auf mannigfaltige Weise und zu unterschiedlichem Grad eingeschränkt, ihr Status auf verschiedene Art gemindert sein. Dies betraf Fragen der Freizügigkeit, des Umfangs der zu leistenden Arbeit, des Besitzes, der Ehe und der sexuellen Beziehungen, der Integrität der Familie, des Erbens und Vererbens, der Strafen für Vergehen sowie des Ranges, den die Gemeinschaft, in der man lebte, für einen vorsah. Die große Bandbreite und regionale Verschiedenheit solcher Lebensrealitäten können kaum unter einem Begriff von Sklaverei subsumiert und terminologisch angemessener unter „Sklavereien“ gefasst werden. Am präzisesten beschrieben sind sie als unterschiedliche Formen und Grade von Unfreiheit, Abhängigkeit und Servilität.
In unfreie, abhängige und servile Verhältnisse führten Wege, die dem gesetzten Recht entsprachen, und Wege, die diesem Recht zuwiderliefen; Rechtsnorm und soziale Praxis entsprachen sich oft nicht. Im Verlauf des Mittelalters nahm die politische Integration der europäischen Reiche generell zu, und damit einher gingen Versuche der herrschenden Eliten, den Bereich von persönlicher Unfreiheit, abhängiger Arbeit und Zwangsmigration rechtlich stärker zu regulieren. All diese Phänomene hat es jedoch das gesamte Mittelalter über gegeben, und die Christianisierung hat daran wenig geändert.
Der Vortrag gibt zunächst einen Überblick über den Stand der Forschung zu Unfreiheit, abhängiger Arbeit und Zwangsmigrationen im mittelalterlichen Europa und konzentriert sich hernach auf das Fallbeispiel Ostmittel- und Osteuropas, das bisher wenig untersucht ist. Mit Blick auf die globalhistorische Debatte um Unfreiheit, Menschenraub und Menschenhandel versucht er schließlich, die Spezifika mittelalterlicher europäischer Sklavereien herauszudestillieren.
„Jeder kann Sklave werden!“ - Sklaverei als Bedrohung und Chance im antiken Rom - Elisabeth Herrmann-Otto (Köln)
Die Institution der Römischen Sklaverei hat unangefochten und kaum hinterfragt rund 1.000 Jahre Bestand gehabt. Trotz gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Veränderungen hat sie funktioniert. Das hängt u.a. mit ihrer theoretischen Grundlage zusammen, vor allem der Ausgestaltung eines regelrechten Sklavenrechts, das flexibel auf die jeweiligen Veränderungen reagierte und auf die Fragen der Praxis immer Antworten wusste. Nicht ohne Berechtigung spricht man vom „Römischen Modell“ der Sklaverei, zu der – wie bei einer Münze, die aus Vorder- und Rückseite besteht – die Freilassung unabdingbar dazugehört. In einer Welt, in der es keine Sicherheit gab und in der jedem alles passieren konnte, führten die Interdependenzen zwischen Freiheit und Sklaverei sowie zwischen Sklaverei und Freilassung für den einzelnen Menschen entweder zum tiefsten Verderben und sozialem Tod oder zur höchsten Chance auf eine Karriere und soziale Integration.
Empfohlene Literatur:
E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt. 2. überarbeitete u. erweiterte Auflage, Hildesheim 2017.
Versklavte, Sexualität, Reproduktion und Elternschaft in der Karibik - Ulrike Schmieder (Hannover)
Die Vorlesung befasst sich aus einer komparativen Perspektive heraus mit der Geschlechtergeschichte der karibischen Plantagensklaverei und Postemanzipation, explizit nicht als reine Frauengeschichte unter einem anderen Label. Dabei werden historische und gegenwärtige Debatten um Sklavenfamilien, geschlechtliche Arbeitsteilung, Reproduktion unter Sklavereiverhältnissen, sexuelle Gewalt und das Thema Sklaverei und Männlichkeit vorgestellt. Die Vorlesung widmet sich ausführlich der Frage, mit welchen Quellen frau die genannten Themen aus einer Akteurs-zentrierten Perspektive erforschen kann, und bringt diverse Beispiele, welche Möglichkeiten und welche Grenzen die Arbeit mit bestimmten Quellenkorpora bietet. Nebenbei werden die vermeintlich sozial nicht existierenden Sklavenväter rehabilitiert. Dass die Familien der Versklavten immer nur Mutter-Kind-Familien waren, ist eine durch bestimmte Quellen geleitete Fehlinterpretation und ein gutes Beispiel dafür, dass die Historikerin in den Quellen findet, wonach sie sucht (oder eben nicht). Abschließend gibt es die Vorlesung einen Ausblick auf die aktuellen Forschungstrends der Sklavereiforschung.
Kein deutsches Thema? – Sklaverei im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation - Rebekka von Mallinckrodt (Bremen)
In der aktuellen Forschung scheint Konsens darüber zu bestehen, dass es im Alten Reich keine Sklaverei gab, da die deutschsprachigen Gebiete im Unterschied zu den westlichen Kolonialmächten nur kurzzeitig und nicht in vergleichbarem Maße direkt in den Sklavenhandel involviert waren. Forschungen der letzten Jahre haben jedoch zunehmend die ökonomische und personelle Verstrickung von Kaufleuten, Missionaren, Seemännern, Ärzten und Soldaten aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation in den Menschenhandel aufgezeigt, wenn auch häufig über Handelskompanien und Kolonien anderer europäischer Mächte – jedoch mit Rückwirkungen bis in den deutschsprachigen Raum. Im Vortrag wird diskutiert, inwiefern und in welchen Fällen man in Bezug auf verschleppte Menschen im Alten Reich zu Recht und auch heuristisch sinnvoll von Sklaverei sprechen kann und welche neuen Perspektiven sich daraus für die Forschung ergeben.
Second Slavery und Hidden Atlantic im 19. Jahrhundert: Versklavte/Subalterne als commodities und die kurze Blüte von Sklavereimodernen 1808-1888 - Michael Zeuske (Köln)
Diese breite, zeitlich tiefe und universelle Analyse von Sklaverei(en) relativiert die Fixierung auf amerikanische Sklaverei(en) und atlantischen Sklavenhandel (Atlantic Slavery (siehe PDF)), zugleich lässt sie aber auch die Besonderheiten dieser globalhistorischen Epoche des Sklaverei als Teil der Geschichte des „westlichen“ Kapitalismus (und der sozialen Revolutionen gegen die commodification von Menschen erkennen. Diese Vorlesung behandelt die Spezifik der Sklaverei im atlantischen Raum und seiner letzten Phase, der Second Slavery im 19. Jahrhundert.
Varianten unfreier Arbeit in Südostasien: Sklaven, Knechte, Kulis - Oliver Tappe (Köln)
Die Geschichte Südostasiens kennt eine Vielfalt indigener Varianten von Sklaverei und Schuldknechtschaft. Koloniale Interventionen im 19. Jahrhundert wurden gemäß des Diskurses einer mission civilisatrice mit der Abschaffung solcher Ausbeutungssysteme legitimiert. In der Praxis wurden sie jedoch oft nur verschleiert, umformt und den Anforderungen des globalen Kapitalismus angepasst. Die vertraglich geregelte Kuliarbeit (samt ihrer lokalen Anpassungen) war womöglich das umfangreichste System der globalen Organisation von Arbeitskraft seit der Abschaffung der Sklaverei. Spuren jener Beispiele unfreier Arbeit finden sich bis heute in diversen ökonomischen Ausbeutungsmechanismen – oft mit dem irreführenden Begriff der “modernen Sklaverei” belegt – nach.
Der Vortrag thematisiert lokale Formen unfreier Arbeit sowie ihre Umformungen und Kontinuitäten in der kolonialen, “modernen” Kuliarbeit. Mit Blick auf die politische Ökonomie verschiedener Regionen Festland-Südostasiens sollen die sozialen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen von Sklaverei und Knechtschaft beleuchtet werden. Die Frage wird diskutiert, inwieweit koloniale Kuliarbeit von bestehenden ungleichen Besitzverhältnissen und soziopolitischen Hierarchien profitierte oder jene gar verschärfte. Das gilt vor allem für die Länder der französischen Kolonie Indochina (Laos, Kambodscha und Vietnam), aber auch für das nicht kolonialisierte Königreich Siam (das spätere Thailand).
Südostasien bietet diverse Fallstudien zu historischen Transformationen unfreier Arbeit im Kontext der Ausbreitung des globalen Kapitalismus. Eine longue durée Perspektive auf regionale Besitz-, Produktions- und Arbeitsverhältnisse eröffnet erkenntnisreiche Perspektiven auf gegenwärtigen sozioökonomischen Dynamiken und Ungleichheiten in den sich rasant wandelnden Ökonomien jenseits von Indien und China.
Freedmen’s Bureau between 1862 to 1871 and the attempts of freedpeople to gain control of their lives (Arbeitstitel) - Norbert Finzsch (Köln)
Of all the problems raised by emancipation, none proved to be more critical than the transition from slave to free labor. Slavery had been, at bottom, a labor system, and while Republicans agreed that free labor would replace forced labor, they disagreed about what free labor would mean in the South. As Yankee armies proceeded to invade and occupy the Confederacy during the war, hundreds of thousands of slaves became free workers. Moreover, Yankee occupation meant that Union armies controlled vast territories where legal title to land had become unclear. The wartime Confiscation Acts punished "traitors" by confiscating their property. The questions regarding what to do with federally occupied land and how to organize labor on it engaged former slaves, former slaveholders, Union military commanders, and federal government officials long before the war ended. My contribution deals with the role of the Freedmen’s Bureau, an organization under control of the War Department that was set up to alleviate the fate of four million freedpeople, and that was instrumental in creating a system which was little better than slavery itself.
Vortragssprache: Deutsch
Sklaverei im französischen Empire am Ende des 18. Jahrhundert - Matthias Middell (Leipzig)
Im Kontext der französischen Revolution war die Emanzipation von dem auf Sklaverei beruhenden Plantagensystem auf Saint Domingue erfolgreich. Dies ist ein zentraler Moment der modernen Globalgeschichte und entsprechend intensiv erforscht. Zugleich ist die Auseinandersetzung auf und um Saint Domingue Teil eines breiteren Prozesses der Neuorganisation des französischen Empires, bei dem es die Frage zu beantworten galt, wie man es künftig mit der Versklavung und der transregionalen Zwangsverschiffung von Menschen halten wollte. Bis zur allgemeinen Anerkennung der Abolition in der französischen Gesellschaft war es noch ein weiter Weg. Der Vortrag stellt diese französische Debatte in ihren internationalen Kontext.
Die Revolution der Sklaven von Saint-Domingue und der Untergang der weißen Herrenschicht in einer karibischen Plantagenwirtschaft (1789-94) - Oliver Gliech (Berlin)
In den Jahren 1789 bis 1804 fand in der reichen französischen Karibik-Kolonie Saint-Domingue, dem späteren Haiti, parallel zur Französischen Revolution eine eigene Revolution statt. Zunächst getragen von den ortsansässigen weißen Pflanzern, mündete diese in einen Aufstand der schwarzen Sklaven. Dieser Aufstand führte zur Abschaffung der Sklaverei, zur Unabhängigkeit der Kolonie und zur Zerstörung der alten kolonialen Eliten. Weltweit lebten im Laufe der Zeit Millionen von Menschen in der Sklaverei. Rebellionen der Betroffenen kamen vor, waren aber selten, und nur eine von ihnen endete mit dem Sieg der Aufständischen. Wie ist dieser historisch singuläre Vorgang zu erklären? Die Leidenserfahrung der Schwarzen, der Umstand, dass sie mit 10:1 zahlenmäßig viel stärker waren als die Weißen, eine langjährige Widerstandstradition auf den Plantagen, die Erschütterung der Verhältnisse durch die Revolution in der Metropole - all dies waren sicherlich Faktoren, die eine schwarze Rebellion begünstigten. In anderen Plantagengesellschaften herrschten freilich ähnliche Lebensbedingungen, und die große Erhebung der Sklaven blieb aus. Die Revolution von Saint-Domingue verdankte dem Zusammenspiel verschiedener einander überlagernder Krisen ihre Dynamik. Politische, ökonomische, soziale und ideologische Konflikte führten zwischen 1789 und '91 in eine bürgerkriegsartige Situation, in der sich die einzelnen Segmente der weißen Gesellschaft gegenseitig paralysierten. Die freien Farbigen der Kolonien forderten eine rechtliche Gleichstellung mit den Weißen und griffen zu den Waffen. In dieser verfahrenen Situation ergriff eine Gruppe von schwarzen Verschwörern die Initiative und organisierte eine große Erhebung der Sklaven der Nordprovinz von Saint-Domingue. Im vorliegenden Vortrag werden eingangs die Verhältnisse in der Kolonie zu Beginn der Revolution und die einzelnen Sozialformationen analysiert, die in den Konflikten der Zeit seit 1789 eine Schlüsselrolle spielten. Im zweiten Teil stehen die weißen Bürgerkriege, die zum Zusammenbruch der kolonialen Ordnung führten, im Mittelpunkt des Interesses, wobei der Einfluss der Ereignisse in Frankreich auf die Verhältnisse in der Karibik stets im Auge behalten werden müssen. Der dritte Teil widmet sich der ersten Phase der schwarzen Revolution vom Beginn des Sklavenaufstands bis zum Aufstieg des Revolutionsführers Toussaint Louverture (1791-95).
Illegale Freiheit: Geflüchtete SklavInnen in den Städten der Südstaaten der USA, 1800-1860 - Viola Müller (Leiden)
Flucht aus der Sklaverei ist so alt wie die Sklaverei selbst. Für die Geschichte der Amerikas wird das Phänomen geflüchteter Sklaven vor allem mit lateinamerikanischen und karibischen Maroons assoziiert sowie für das 19. Jahrhundert mit US-amerikanischen Sklaven, die über die Underground Railroad (ein informelles Netzwerk an Schleichwegen und Schmugglerrouten) die Nordstaaten erreichten. Dort war die Institution weitgehend abgeschafft. Weit weniger Aufmerksamkeit wurde bisher versklavten Menschen gewidmet, die von ihren legalen Besitzern in den USA flüchteten, aber in den Südstaaten blieben.
Viele von ihnen zog es in die Städte, wo es aufgrund von Industrialisierung und Urbanisierung gute Chancen auf Arbeit gab und sie Unterstützung von persönlichen Kontakten erfuhren. Zu dieser Zeit war die freie schwarze Bevölkerung bereits zahlreich und wuchs rapide. Indem sie neue Identitäten annahmen und sich als free people of color ausgaben, war es vielen Geflüchteten möglich, zu leben als seien sie frei. Die Freiheit, die sie in den Städten der Südstaaten erlangten, war illegal, da sie keine gesetzliche Grundlage besaß (anders als bei Sklaven, die nach Britisch-Kanada oder Mexiko flohen).
Diese Vorlesung setzt den Schwerpunkt auf die soziale und wirtschaftliche Integration dieser „Sklavereiflüchtlinge“ – ihre Erfahrungen in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt (sowie die politischen Reaktionen) ähnelten in vielerlei Hinsicht denen illegaler Immigranten heute.